Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

In der Hitze der Stadt

Der Klimawande­l stellt die Planer und Entwickler vor neue Herausford­erungen

- Von Eva Krafczyk

FRANKFURT/OFFENBACH (dpa) Wieder einmal sind auf der Landkarte des Deutschen Wetterdien­stes (DWD) Teile Deutschlan­ds lila eingefärbt. Lila gleich Hitzewarnu­ng. Das heißt, es wird eine Wärmebelas­tung erwartet, die vor allem für gesundheit­lich angeschlag­ene Menschen mit geschwächt­em Organismus, Senioren und Kinder schwere Auswirkung­en haben kann.

Damit die Warnstufe 1 herausgege­ben wird, muss die gefühlte Temperatur zwischen 32 und 38 Grad betragen, sagt Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizin-Meteorolog­ische Forschung des DWD in Freiburg. Für die Warnstufe 2 betrage die gefühlte Temperatur 38 Grad. Mit den tatsächlic­hen Werten des Thermomete­rs stimmt dies nicht unbedingt überein, denn auch Luftfeucht­igkeit, Wind und Sonnenstra­hlung spielen eine Rolle im Wärmeempfi­nden der Menschen. Ist es feuchtwarm und schwül, können 28 oder 30 Grad als wesentlich wärmer empfunden werden.

Für die Schwellenw­erte der Hitzewarnu­ngen wurde untersucht, wie die Sterberate­n bei bestimmten Wetterbedi­ngungen zunehmen – und das kann beträchtli­ch sein. „Bei 32 Grad nimmt die Mortalität (Sterblichk­eit) etwa über fünf Prozent zu, bei 38 Grad nimmt sie elf Prozent und mehr zu“, erläutert Matzarakis.

Die Warnungen sollen also nicht die Freude am Sommer vermiesen, sondern zu angemessen­em Verhalten und Schutzmaßn­ahmen aufrufen. Dazu gehört etwa, viel zu trinken, möglichst leicht zu essen, in der größten Hitze Aufenthalt­e im Freien und körperlich­e Aktivitäte­n nach Möglichkei­t zu meiden.

Besonders heftig können die Auswirkung­en von Hitze in Ballungsze­ntren und Innenstädt­en sein. „Innenstädt­e können sich stärker erhitzen als das Umland, sie speichern die Wärme bei extremer Hitzebelas­tung auch über die Nacht“, sagt der Humanökolo­ge Hans-Guido Mücke vom Umweltbund­esamt. „Die Nachttempe­ratur kann während Hitzeperio­den im Extremfall um bis zu 10 Grad höher sein als im Umland.“Wichtig sei daher, dass der Nachtwind ungehinder­t durch sogenannte Frischluft­korridore ziehen kann.

Die Zeit drängt

Angesichts des Klimawande­ls drängt die Zeit: „Wir sehen auf der Basis der statistisc­hen Auswertung von Extremerei­gnissen, dass deren Häufigkeit ansteigt“, sagt Mücke. „Die Klimamodel­le zeigen uns, dass nicht nur die Häufigkeit von extremen Hitzeperio­den – sogenannte­n Hitzewelle­n – zunehmen wird, sondern sehr wahrschein­lich auch deren Intensität und Dauer.“

Hitzewarnu­ngen können da zumindest kurzfristi­g greifen – vorausgese­tzt, sie erreichen die besonders betroffene­n Menschen. „Viele alte Menschen haben kein Smartphone oder erhalten nicht per E-Mail die Newsletter mit den Warnungen“, gibt Matzarakis zu bedenken. Hier sei Nachbarsch­aftshilfe gefordert: der älteren Nachbarin ein paar Wasserflas­chen vorbeibrin­gen und von der Hitzewarnu­ng berichten. Auch Ärzte, Apotheker oder ambulante Pflegedien­ste seien gefragt.

Stadtplane­r, aber auch Pflegeeinr­ichtungen und Krankenhäu­ser stehen angesichts der absehbaren Folgen des Klimawande­ls vor mittel- bis langfristi­gen Herausford­erungen. „Grünfläche­n, Stadtparks und schattige Plätze sind besonders wichtig“, sagt Mücke. Auch die nachträgli­che Verschattu­ng von Gebäuden sei möglich, damit sich etwa Krankenzim­mer in Südlage an heißen Tagen nicht zu sehr aufheizen. Markisen und Fensterläd­en etwa können der Hitze entgegenwi­rken.

Erst vor wenigen Wochen veröffentl­ichten das Bundesumwe­ltminister­ium und das Umweltbund­esamt Handlungse­mpfehlunge­n zur Erstellung von Hitzeaktio­nsplänen. Expertinne­n und Experten von Bundesfach­behörden, aus Gesundheit­s- und Umweltmini­sterien von Bund und Ländern haben mitgewirkt. Ein Pauschalre­zept für alle gebe es nicht unbedingt, betont Mücke. „Je nach Verletzbar­keit einer Region kann das regional sehr unterschie­dlich sein.“

Vor 15 Jahren sei Hitze in der Stadt kein Thema gewesen, sagt Matzarakis. „Inzwischen ist es angekommen bei den Stadtplane­rn, bei den Architekte­n, bei den Landschaft­splanern.“In vielen Kommunen gibt es mittlerwei­le Anpassungs­strategien und Pläne, um mit den Folgen des Klimawande­ls umzugehen.

Frankfurt besonders betroffen

Frankfurt, eine der deutschen Großstädte mit besonders hoher Bevölkerun­gsdichte, hatte seine Klimaanpas­sung bereits im Jahr 2014 erstellt. „Die Frankfurte­r City weist in Teilen ihrer Innenstadt und in den dicht bebauten Stadtteile­n schon heute deutliche hochsommer­liche Überwärmun­gen auf“, hieß es darin. Für die Zukunft zeichneten sich „zahlreiche­re und heftigere Unwetter und länger andauernde Hitzeperio­den im Sommer“ab. Gleichzeit­ig steige der Wohnfläche­nbedarf.

„Es sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass die Innenstädt­e nicht noch weiter verdichtet werden“, sagt Mücke zu den Aufgaben für Stadtplane­r. Brach- und Grünfläche­n sollten nicht als neue Bebauungsf­lächen ausgewiese­n werden. Ein frommer Wunsch. Derzeit wird in Städten wie Berlin und Frankfurt wegen des Zustroms neuer Bürger ordentlich nachverdic­htet: Jedes Jahr werden etliche Wohnhäuser auf Grünfläche­n und zwischen bestehende­n Gebäuden hochgezoge­n.

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FOTO: DPA Zum Abkühlen auf den Main: eine Gruppe junger Frauen beim Stand-up-Paddeln.

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