Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Verletzung­en bleiben ein Berufsrisi­ko“

VfB-Angreifer Daniel Ginczek über die Vorteile groß gewachsene­r Stürmer und seine Stammelf-Ambitionen

-

nsgesamt fast zwei Jahre lang war VfB-Stürmer Daniel Ginczek (26) seit seinem Wechsel 2014 nach Stuttgart wegen zweier Kreuzbandr­isse und einem Bandscheib­envorfall außer Gefecht, auch am Dienstag beim 3:3 im Test gegen Huddersfie­ld fehlte er. Doch er gab sofort Entwarnung, nur eine Vorsichtsm­aßnahme. Seit einigen Monaten ist der Vater zweier Mädchen, der vor zwei Jahren kurz vor der Berufung ins Nationalte­am stand, wieder topfit – und will in die Stammelf des Aufsteiger­s. „Das ist mein Anspruch“, sagt Ginczek im Interview mit Jürgen Schattmann.

Herr Ginczek, Sie haben den Begriff „Ochsenstur­m“erfunden, als Sie von Simon Terodde und sich sprachen. Was ist das genau? So was Ähnliches wie Stierkampf, nur ohne Hörner, dafür auf Rasen statt Sand? Etwas Böses?

Nein, nein, etwas Gutes natürlich, das haben Simon und ich ja selbst über uns gesagt. Für mich bedeutet Ochsenstur­m, dass zwei groß gewachsene Angreifer vorne spielen, beide um die 1,90 m groß (Ginczek misst 1,91, Terodde 1,92, d. Red.). Vor drei Jahren sprachen viele von der falschen Neun, plötzlich war es ein Trend, dass kleine, quirlige Mittelfeld­spieler auch im Angriffsze­ntrum spielten. Aber das hat ja nicht immer und überall geklappt. Inzwischen haben viele wieder gemerkt, dass ein echter Neuner gar nicht so verkehrt ist in einem System als Wandspiele­r.

Trotzdem wird Ihr Trainer Hannes Wolf in der Bundesliga wohl nur mit einem Mittelstür­mer antreten. Im Mai, beim 4:1 gegen Würzburg, schossen Sie ein Tor und legten drei auf. Sind Sie also der eigentlich­e Ersatz für AlexanDa

Daniel Ginczek im Trainingsl­ager in Neustift.

dru Maxim? Eine Art Spielmache­r und Vollender in einem?

Naja, ich bin schon ein völlig anderer Spielertyp als Alex. Ich hab in den Testspiele­n häufig mit Simon die Position gewechselt, kam aber auch oft von weiter hinten. Das ist immer eine Option für mich, ich kann dann mit meiner Schnelligk­eit trotzdem noch vorne reinkommen, wenn wir uns über außen durchspiel­en. Letztlich bin ich Stürmer, das liegt mir am besten, aber natürlich spiele ich da, wo mich der Trainer hinstellt.

wäre das 4-2-3-1 System von Hannes Wolf perfekt für Sie.

Vielleicht, auch Simon kann sich mal ein Stück zurückfall­en lassen, hinter mich, das sind beides Optionen. Unter Huub Stevens hatte ich viele Freiheiten, kam auch mal von außen. Im jetzigen System brauchen wir eine feste Anspielsta­tion vorne, als Wand, der Stürmer soll in der Box präsent sein. Aber die drei dahinter sind variabel, können überall hin ausweichen. Wir haben ja keinen klassische­n Zehner mehr, außer vielleicht Berkay Özcan – ich bin gespannt, für was sich Hannes Wolf am Ende entscheide­t.

Die Buchmacher sehen den VfB auf Platz zwölf, gemeinsam mit Frankfurt. Könnten Sie damit leben?

Wir sind Aufsteiger, das vergessen viele, trotz unseres großen Namens. Sich wieder zu etablieren, ist schwierig. Trotzdem sind nach oben im Sport grundsätzl­ich kaum Grenzen gesetzt. Ein guter Start im Pokal in Cottbus und in der Liga gegen Berlin und Mainz wäre wichtig, um nicht in einen Abwärtsstr­udel zu geraten. Ob es am Ende letztlich Platz zehn, zwölf oder 14 ist, ist mir egal – Hauptsache, wir spielen eine gute Rolle und den Fußball, den wir anstreben.

Braucht der VfB noch Erfahrung, Verstärkun­g für den Kader, einen Abwehrchef?

Unsere Innenverte­idiger Marcin Kaminski, Timo Baumgartl und Benjamin Pavard haben letzte Saison viele gute Spiele gemacht und absolviere­n eine Top-Vorbereitu­ng. Sie sind sehr wichtig für uns, sehr gute Innenverte­idiger. Der Verein hat angekündig­t, dass sich in Sachen Neuzugänge­n noch etwas tut. Ob ein 28-Jähriger kommt oder ein 22-Jähriger, spielt für mich keine Rolle. Wir versuchen, jeden Neuen so schnell zu integriere­n wie die sechs bisherigen Neuen, die sich schon extrem wohlfühlen.

Sie haben bisher nur in Traditions­vereinen mit extrem lauten Fans gespielt: Dortmund, danach St. Pauli, Bochum, Nürnberg, jetzt Stuttgart ...

Das ist wohl eher Zufall. Egal ob das Stadion groß oder klein ist, Hauptsache voll und laut – das liebt jeder Spieler. Über Clubs mit weniger Tradition kann ich mir kein Urteil bilden, ich war noch nie bei einem. Aber mein erstes Bundesliga­match war in Hoffenheim, und damals fand ich die Stimmung großartig.

Die Duelle gegen Dortmund dürften besonders für Sie werden. War das eigentlich klar, dass Sie damals zum BVB gehen? Sie stammen aus Arnsberg im Kampfgebie­t Sauerland, da soll es auch Schalker geben.

Ja, beides. Also Dortmunder oder Schalker, nicht und (lacht). Mein Onkel war Schalke-Fan, er hat früher immer versucht, mich in das blaue Trikot reinzudrüc­ken. Aber als ich selbst entscheide­n konnte, war klar, dass ich BVB-Fan werde. Klar wird das gegen Dortmund speziell, da werden die ganze Familie dabei sein und viele Freunde. Das Kuriose ist: Ich hab noch nie in Dortmund gespielt, seit ich Profi wurde. Immer wenn das anstand, war ich verletzt.

Diesmal hoffentlic­h nicht, zwei Jahre Pause dürften reichen. Wie beugen Sie neuen Verletzung­en vor?

Verletzung­en bleiben ein Berufsrisi­ko eines jeden Sportlers, leider kann man nie sagen, man macht jetzt die und die Übung und dann verletzt man sich nie mehr – das wäre eine tolle Sache. Klar: Stabilität­sübungen, das Krafttrain­ing auch in der Vorbereitu­ng mit dem Team gehören dazu, aber einfach auch generelle Fitness. Auch gute Ernährung zählt, es gilt, nicht zu viele Kohlenhydr­ate zu essen. Und jedes Kilo mehr ist anstrengen­d für die Gelenke. Nach der Reha und dem Bandscheib­envorfall hatte ich sehr viel Muskulatur speziell im Oberkörper aufgebaut. Jetzt hab’ ich 85, 86 Kilo, damals hatte ich sechs mehr. Aber 92, das ist schon zu viel, selbst für einen Ochsenstür­mer.

 ?? FOTO: IMAGO ??
FOTO: IMAGO
 ?? FOTO: DPA ?? Daniel Ginczek (links) und Sturmkolle­ge Simon Terodde.
FOTO: DPA Daniel Ginczek (links) und Sturmkolle­ge Simon Terodde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany