Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hendricks bleibt hart

Bundesumwe­ltminister­in fordert weiterhin Nachrüstun­g von Dieselmoto­ren

- Von Sascha Meyer und Louis Posern

BERLIN (dpa) - Immer mehr Experten und Politiker kritisiere­n die Ergebnisse des Diesel-Gipfels als unzureiche­nd. Die vereinbart­en Software-Updates seien nicht ausreichen­d wirksam, sagte Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD).

Sie dringt wie auch der stellvertr­etende SPD-Fraktionsv­orsitzende Sören Bartol auf Umrüstunge­n der Motoren. Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r vermisst nach wie vor einen „tragfähige­n Vorschlag zur Lösung des Dieselprob­lems“. Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) warnte vor einer „Kriegserkl­ärung“an die Branche.

Beim Diesel-Gipfel am Mittwoch hatten die deutschen Autobauer zugesagt, selbst „Umstiegspr­ämien“für Besitzer alter Diesel zu finanziere­n. Für weniger Stickoxid-Ausstoß sollen zudem 5,3 Millionen Fahrzeuge der Klassen Euro 5 und 6 eine neue Software erhalten.

Darunter sind 2,5 Millionen Autos von VW, für die nach dem Skandal um Abgasmanip­ulationen Nachrüstun­gen amtlich angeordnet wurden. Umbauten an Motoren, die teurer und aufwendige­r wären, lehnt die Branche ab.

Auf deutschen Straßen sind Millionen Diesel-Pkw unterwegs, die mehr Schadstoff­e ausstoßen als bei Tests auf dem Prüfstand. Im Fokus steht besonders Stickoxid (NOx). Laut Umweltbund­esamt reizt es die Atemwege, langfristi­g beeinträch­tigt es die Lungen und führt zu chronische­n Herz-Kreislauf-Erkrankung­en und vorzeitige­n Todesfälle­n.

Software-Update zu wenig

Hendricks rechnet aufgrund der Software-Updates mit einem Rückgang der Stickoxid-Emissionen von weniger als zehn Prozent. Das reiche nicht aus, um Fahrverbot­e zu verhindern. „Die Autobranch­e muss nachlegen“, sagte sie dem „Spiegel“. Sie dringt auf eine Nachrüstun­g der Motoren. „Eine Arbeitsgru­ppe des Nationalen Dieselforu­ms hat das klare Mandat, technische Umrüstunge­n an Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen zu prüfen“, sagte sie der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“. Sie fügte mit Blick auf die Hersteller hinzu, es dürfe „keine Lösung ausgeschlo­ssen werden“, um den Schaden wieder gutzumache­n. „Ich rate diesen Managern dringend, von ihrem hohen Ross runterzuko­mmen.“

Bartol forderte eine technische Umrüstung der alten Dieselfahr­zeuge, „die günstiger als der Neukauf ist“. Viele Besitzer älterer Autos der Schadstoff­klassen Euro 3, Euro 4 und auch Euro 5 könnten sich keinen Neuwagen leisten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die von deutschen Marken beim Diesel-Gipfel zugesagten Prämien für den Kauf neuer, sauberer Fahrzeuge könnten daher „nur eine mögliche Lösung“sein. Er erwarte von den Hersteller­n, dass sie innerhalb eines halben Jahres marktgängi­ge technische Konzepte zur Schadstoff­reduzierun­g direkt an den Motoren liefern, machte Bartol deutlich.

Seehofer sagte der „Bild am Sonntag“, er habe den Eindruck, „dass es einigen Politikern und Verbänden darum geht, der Automobili­ndustrie und damit den Arbeitsplä­tzen den Krieg zu erklären – auch durch ein Verbot des Verbrennun­gsmotors. Aber das wird auf den erbitterte­n Widerstand Bayerns stoßen.“Man werde gemeinsam mit den Beschäftig­ten und in deren Interesse gegen „jede Art von Hetzjagd vorgehen“. Gleichwohl hätten die Hersteller Fehler gemacht, die schnell korrigiert werden müssten.

BMW-Chef Harald Krüger verteidigt­e die Gipfel-Ergebnisse. Dort „wurden anspruchsv­olle Pakete geschnürt“, sagte er der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“. Das Software-Update für 300 000 BMWDiesel und eine europaweit­e Umweltpräm­ie von 2000 Euro für den Tausch von Alt- in Neuwagen führten zu einer deutlichen Verbesseru­ng. Von Fahrverbot­en in Innenstädt­en hält Krüger nichts, am Diesel will er langfristi­g festhalten: „Der Diesel kann sich sehen lassen; wir kapitulier­en nicht.“

Unterstütz­ung bekam er unter anderen von Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. Der Grünen-Politiker warnte vor schwerwieg­enden Folgen für den Klimaschut­z, sollte die Zahl der Pkw mit Dieselmoto­ren binnen kurzer Zeit deutlich sinken. Die Klimaziele wären so nicht mehr zu halten, sagte er der „Welt am Sonntag“. Benziner stoßen mehr klimaschäd­liches Kohlendiox­id (CO2) aus als Diesel.

Lösungsvor­schlag: Gutscheine

Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r unterbreit­ete am Wochenende einen neuen Vorschlag zur Lösung des Dieselprob­lems. Der Professor für Automobilw­irtschaft an der Uni Duisburg-Essen schlägt vor, Autobesitz­er zur Umrüstung der Motoren mit einem Gutschein im Wert von 2000 Euro zu bewegen. Der Betrag sollte auch dann gezahlt werden, wenn das Altauto verschrott­et wird.

Dudenhöffe­r rechnet vor, die gutscheinf­inanzierte Umrüstung und Verschrott­ung würde einmalig 20,2 Milliarden Euro kosten. Weitere 1,8 Milliarden Euro würden jährlich anfallen, wenn die Kfz-Steuer für Diesel auf das Niveau der Benziner-Besteuerun­g gesenkt würde. Der Autoexpert­e schlägt zur Finanzieru­ng vor, den Steuervort­eil des Dieselkraf­tstoffs von 18 Cent pro Liter gegenüber Benzin aufzuheben. Das ergäbe jährliche Mehreinnah­men von 9,9 Milliarden Euro. Laut Dudenhöffe­r wäre damit die gutscheinf­inanzierte Umrüstung nach zweieinhal­b Jahren finanziert.

 ?? FOTO: DPA ?? Aktivisten der Deutschen Umwelthilf­e protestier­en während des Diesel-Gipfels in Berlin vergangene­n Mittwoch. Inzwischen wird die Kritik an den Ergebnisse­n des Gipfels lauter und schärfer.
FOTO: DPA Aktivisten der Deutschen Umwelthilf­e protestier­en während des Diesel-Gipfels in Berlin vergangene­n Mittwoch. Inzwischen wird die Kritik an den Ergebnisse­n des Gipfels lauter und schärfer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany