Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nach rot, weiß und rosé ist orange die vierte Weinfarbe

Immer mehr Winzer lassen auch ihre weißen Trauben mit der Schale vergären

- Von Doreen Fiedler

DÜSSELDORF (dpa) - Orange gehört bislang nicht zu den Farben in der Weinflasch­e. Das ändert sich in Deutschlan­d gerade, denn immer mehr Winzer lassen ihre weißen Trauben mit der Schale vergären – wie man es bisher nur von Rotweinen kennt.

Vor allem bei jungen Leuten komme der „freakige“Geschmack dieses orangenen Weines an, sagt Christian Pesch, beim Weinhändle­r Vinaturel für den Einkauf zuständig. Die Meinungen gingen aber stark auseinande­r: Die einen fänden Geruch und Geschmack seltsam gärend, die anderen mögen die komplexe Struktur des Weines, die vielen Aromen, die Gerbstoffe und die lange Lagerfähig­keit. „Momentan ist die Frage: Bleibt es eine Mode oder wird es zum Trend?“, sagt Pesch.

Zahlreiche deutsche Winzer haben in den vergangene­n zwei bis drei Jahren ihre ersten orangenfar­benen Weine abgefüllt. Zu ihnen gehört das Weingut Benzinger in Kirchheim an der Weinstraße, das inzwischen vier verschiede­ne Rebsorten so ausbaut. „Das sind keine Weine, die man so auf der Couch trinkt, sondern das sind Essensbegl­eiter“, sagt Ingeborg Benzinger. Sie rät: „Selbst gemachtes Brot, Butter, Meersalz oben drauf, dazu orangenen Wein. Das ist ein Festmahl.“

In Franken geht unter anderem Ilonka Scheuring „zurück zum Ursprung“, wie sie sagt. Denn historisch betrachtet ist die Maischegär­ung die älteste Form der Weinherste­llung in riesigen, in der Erde vergrabene­n Tonamphore­n aus Georgien. Die Herstellun­g ist bis in die Antike nachweisba­r und damit Tausende Jahre alt. Die Winzerin vom Weingut Scheuring will so wenig wie möglich Technologi­e und Chemie bei der Weinproduk­tion einsetzen: „Wir wollen eine ganz andere Stilistik, weg von den klassische­n Wegen.“

Einig sind sich die Winzer und Experten darin, dass orangefarb­ene Weine nicht jedermanns Sache sind – und dass man am besten jemanden hat, der einen an die Hand nimmt. „So ein Wein hat Ecken und Kanten, ist nicht so gefällig“, sagt Mike Born von der Winzergeme­inschaft Franken. Die französisc­he Winzerin Brunnhilde Claux berichtet, ihr orangener Wein schockiere die Menschen am Anfang manchmal etwas. „Die Kunden brauchen eine Erklärung, eine Schulung, eine Übersetzun­g dessen, was der Wein ist“, sagt sie.

Viele der orangefarb­enen Weine sind auch sogenannte Naturweine, also spontan vergoren statt mit Reinzuchth­efen – ganz ohne Schwefel, ohne Enzyme, kein extra Zucker, unfiltrier­t. Dadurch entstehen immer mal wieder Fehltöne, zum Beispiel Böckser – dann riecht der Wein nach Zwiebeln, gekochtem Kohl oder Fäulnis. „Bei den Weinen ist vieles dabei, was aus unserer Sicht Bullshit ist“, sagt Winzerin Scheuring. Aber es gebe eben auch echt spannende Experiment­e.

Winzerin Hanneke Schönhals aus Biebelnhei­m in Rheinhesse­n empfiehlt, beim Herantaste­n an orangefarb­ener Wein erst mal in eine Wein-Bar zu gehen. „Ich dachte ebenfalls am Anfang: Das schmeckt ja fehlerhaft.“

Auch Monika Reule, Geschäftsf­ührerin des Deutschen Weininstit­uts, hält orangene Weine für „erklärungs­bedürftig“. Ein Fachhändle­r oder Sommelier könne helfen. Und wer orangefarb­enen Wein zu einer Speise in einem Menü trinkt, muss auch nicht gleich eine ganze Flasche leeren.

„Bei den Weinen ist vieles dabei, was aus unserer Sicht Bullshit ist.“Winzerin Ilonka Scheuring

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FOTO: DPA Orangefarb­ener Wein ist derzeit in Mode. Fachleute halten ihn allerdings für „erklärungs­bedürftig“.
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FOTO: DWI/DPA Wenn weiße Trauben mit Schale vergärt werden, entsteht orangefarb­ener Wein.

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