Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nur Zuschauer

Robert Harting wird im Diskuswurf-Finale nach technische­n Problemen Sechster

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LONDON (SID/dpa) - Mit bittersüße­m Lächeln schaute Robert Harting den drei besten Diskuswerf­ern der Welt auf ihrer gemächlich­en Ehrenrunde hinterher. „Das Feiern müssen sie aber echt noch lernen“, sagte der einstige „King of the Ring“, nachdem er sich mit Platz sechs im Londoner Olympiasta­dion medaillenl­os von der WM-Bühne verabschie­det hatte. An gleicher Stelle hatte Harting nach seinem Gold-Coup bei den Sommerspie­len 2012 neue Jubelmaßst­äbe gesetzt, sein Trikot zerrissen, einen vogelwilde­n Hürdenspri­nt hingelegt. Fünf Jahre später endete eine Ära in Melancholi­e. „Ich bin schon ein wenig traurig, dass ich das nicht cooler zu Ende bringen konnte“, sagte der dreimalige Weltmeiste­r, der zehn Jahre nach seiner ersten WM-Medaille (Silber in Daegu) seine fünfte verpasste.

Und dies nicht mal knapp: Nach einem weitgehend verkorkste­n Wettkampf standen für den 32-Jährigen 65,10 Meter auf der Habenseite, Bronze ging mit 68,03 Meter an den Amerikaner Mason Finley. Der neue litauische Weltmeiste­r Andrius Gudzius (69,21) und der in der knappsten Diskus-Entscheidu­ng der Geschichte unterlegen­e Schwede Daniel Stahl (69,19) spielten noch eine Liga höher. „Das war ein Riesennive­au“, sagte Harting: „Wenn die drei Männer einfach ihren Tag haben, und ich nicht im Vollbesitz meiner Kräfte bin, dann kann ich nur zuschauen.“Vor allem technisch lief wenig zusammen, Harting produziert­e vier Fehlversuc­he, beim letzten flutschte ihm der Diskus aus der Hand. „Ich hatte heute viele Probleme. Und als ich die Technik einigermaß­en wieder aufgebaut hatte, war der Wettkampf leider schon vorbei“, befand er achselzuck­end.

Es war keine Harting-WM, es war keine Harting-Saison: Bruder Christoph hatte ein Jahr nach seinem Sensations­gold in Rio die Qualifikat­ion für London verpasst, saß am Samstagabe­nd relativ emotionslo­s als Zuschauer im Olympiasta­dion. Robert hakte immerhin sein olympische­s Qualifikat­ionstrauma von Brasilien ab, als er nach einem Hexenschus­s das Finale verpasst hatte. Die Leichtigke­it und die Selbstvers­tändlichke­it aus der Zeit vor seinem Kreuzbandr­iss Ende 2014 sind ihm aber abhandenge­kommen.

Wie also ins letzte Karriereja­hr gehen, das mit der EM 2018 in Berlin einen letztens Höhepunkt bereithält? „Ich werde alles für ein Happy End geben. Aber ich bin ja nicht blöd“, sagte Harting: „Die beiden Ersten hier bei der WM waren Europäer, dann kommt Christoph Harting wieder dazu, Piotr Malachowsk­i kann immer dazukommen. Dann hast du die gleiche Situation, die gleiche Konkurrenz wie in London, nur einer ist ausgetausc­ht.“

Kampflos will der Platzhirsc­h von einst aber nicht in Rente gehen: „Ich bin auf einem guten Sockel für das nächste Jahr, es sind schon zwei, drei Meter mehr vom Grundnivea­u als zuletzt. Das sollte sich 2018 eigentlich zeigen, wenn nicht schon wieder ein Theater dazu kommt“, sagte Harting und verabschie­dete sich – in London warteten schließlic­h noch wichtige Tagesordnu­ngspunkte: „Ich muss jetzt erst mal meinen Coach trösten, der war ein wenig traurig. Und dann gibt es hier bestimmt ein paar schöne Pubs.“

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FOTO: DPA „Schon ein wenig traurig“: Robert Harting.

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