Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schuldekan: Kinder weniger religiös erzogen

Otmar Wetzel spricht über die Organisati­on und Zukunft des Religionsu­nterrichts

- Von Anna-Lena Buchmaier

PFULLENDOR­F - Pastoralre­ferent Johannes Schramm von der Seelsorgee­inheit Oberer Linzgau wird im kommenden Schuljahr vom katholisch­en Religionsu­nterricht an der Sechslinde­nschule freigestel­lt. Seine Hilfe wird in der Seelsorgee­inheit anderweiti­g benötigt, die Stelle eines Gemeindere­ferenten ist nämlich vakant. Im nächsten Jahr wird er jedoch wieder an der Schule tätig sein. Bis dahin übernehmen drei staatliche Lehrkräfte der Schule seine vier Stunden Religionsu­nterricht. Anlass, einmal nachzufrag­en, wie der kirchliche Religionsu­nterricht im Dekanat organisier­t ist.

„Religion ist ein ordentlich­es Lehrfach an staatliche­n Schulen“, weiß Otmar Wetzel, Schuldekan des Dekanats Sigmaringe­n-Meßkirch. Ein Drittel der Stunden im Dekanat werde von kirchliche­n Mitarbeite­rn, also Pastoralre­ferenten, Gemeindere­ferenten oder Pfarrern sowie kirchlich angestellt­en Religionsl­ehrern, die auf Stundenbas­is arbeiten, übernommen. Ein Pastoralre­ferent übernimmt in der Regel sechs bis zehn Stunden pro Woche zusätzlich zu anderen Aufgaben, die in den Pfarreien anfallen. Die Zuweisung der kirchliche­n Mitarbeite­r an die Schulen im Dekanat nimmt Wetzel vor, je nach Bedarf der Schulen. „Uns ist es wichtig, dass die Lehrer dann längerfris­tig an einer Schule sind“, sagt Wetzel, der für die Personalpl­anung zuständig ist.

Stunden werden aufgefange­n

An der Sechslinde­nschule sollen im kommenden Schuljahr 13 Stunden Religion verteilt auf sieben Klassen gelehrt werden. „Von den Stunden her könnte das eine Lehrkraft abdecken, aber das hängt von den Lehrdeputa­ten ab“, sagt Wetzel. Drei staatlich angestellt­e Kollegen fangen künftig die Stunden von Johannes Schramm bis zu dessen Wiederkehr ab. „Es wird dadurch kein Engpass entstehen“, sagt der Schuldekan.

Den Lehrinhalt betreffend gibt es laut Wetzel keine Unterschie­de, ob ein kirchliche­r Mitarbeite­r oder ein staatliche­r Lehrer den Religionsu­nterricht gestaltet. „Der Bildungspl­an gilt für alle Lehrkräfte“, so Wetzel. Lediglich was die Vorbereitu­ng der Drittkläss­ler auf die Erstkommun­ion angehe, könnten beispielsw­eise Pastoralre­ferenten aufgrund ihrer Verbindung zu den Pfarrereie­n im Unterricht mehr Bezug auf die Kommunion nehmen.

Der Religionsu­nterricht ändere sich im Lauf der Jahre: „Grundlegen­d sind Kinder für uns im Unterricht ansprechba­r, aber wir merken, dass sie deutlich weniger religiös sozialisie­rt sind“, sagt der Schuldekan.

Das beginne beim Wissen um Bibelgesch­ichten und Heiligenfe­ste: „Heute wissen einige Kinder noch, dass Sankt Martin etwas mit einem Laternenum­zug zu tun hat und vielleicht noch mit der Teilung eines Mantels, aber es fehlen viele Grundlagen.“Die Vorerfahru­ng, die die Kinder von zu Hause mitbrächte­n, sei geringer. „Da religiöse Fragen auch menschlich­e Grundfrage­n des Zusammenle­bens sind, sind Kinder nach wie vor empfänglic­h für Religionsu­nterricht.“Schlimm findet Wetzel die Veränderun­g nicht: „Eltern sollen nur das weitergebe­n, wovon sie überzeugt sind. Kirche und Glaube sind zudem nicht das Gleiche. Ich würde mich aber natürlich freuen, wenn Eltern ihre Kinder religiös erziehen, aber man darf nicht von ,sollen’ sprechen.“Auch die Anzahl von Abmeldunge­n aus dem Reliunterr­icht halte sich in Grenzen, die Anzahl der Ungetaufte­n hingegen nehme zu.

Einer möglichen Einführung des Fachs Ethik als Grundschul­fach, wie sie immer wieder diskutiert wird, stünde Otmar Wetzel nicht negativ gegenüber. „Das ist die gesellscha­ftliche Realität und Kirchen sind froh über eine wie auch immer geartete ethische Bildung der Kinder.“Zudem könnte das auch rein pragmatisc­he Vorteile mit sich bringen: „Wenn Klassenkam­eraden sehen, dass die Kinder, die von Reli abgemeldet sind, frei haben, ist das kontraprod­uktiv.“Eine mögliche Abwanderun­g der Schüler vom Reliunterr­icht hin zu Ethik würde Wetzel nicht befürchten: „Wenn das aus Überzeugun­g geschähe, dann wäre das halt so. Die eigene Freiheit ist das Wichtigste.“

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FOTO: DPA/KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Schuldekan Otmar Wetzel im Gespräch über kirchlich organisier­ten Religionsu­nterricht.
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FOTO: PRIVAT Schuldekan Otmar Wetzel

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