Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Weniger Landesgeld für Krankenhäu­ser

Sozialmini­ster Lucha wirft Trägern Versäumnis­se vor – diese wehren sich gegen die Kritik

- Von Katja Korf

STUTTGART - Ein Minister auf Sommertour hat gern gute Nachrichte­n im Gepäck. Manfred Lucha (Grüne) muss aber oft dahin, wo es weh tut. Erstens spart der Sozialmini­ster in den kommenden zwei Jahren bei den Krankenhäu­sern. Zweitens wirbt er für große Kliniken statt kleiner Häuser. Das bringt ihm viele Vorwürfe ein. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“hält er seinen Kritikern vor, in den vergangene­n Jahrzehnte­n selbst zu wenig für die Krankenhau­slandschaf­t getan zu haben: „Die Krankenhau­sträger sind ihrer Aufgabe, die Krankenhäu­ser zukunftsfä­hig aufzustell­en, in den letzten Jahrzehnte­n vielfach zu wenig nachgekomm­en und haben zu wenig Prioritäte­n gesetzt.“

Krankenhäu­ser finanziere­n ihre laufenden Kosten vor allem durch Gelder der Krankenkas­sen. Die zahlten 2015 rund 9,2 Milliarden Euro für Leistungen, die Kliniken für die Versichert­en erbringen. Investitio­nen, also Ausgaben für Anschaffun­g, Umund Neubauten, müssen die Länder tragen. Im laufenden Jahr förderte das Land solche Investitio­nen mit

525,5 Millionen Euro – so viel wie nie zuvor. Im Bundesverg­leich fließt nirgendwo soviel Geld pro Krankenhau­sbett, nämlich rund 8700 Euro.

Nun sinkt die Förderung: In den Verhandlun­gen über den Landesetat für 2018 und 2019 hatte der grüne Minister Lucha Sparvorgab­en. Deswegen erhalten die Kliniken in den kommenden zwei Jahren insgesamt

25,9 Millionen Euro weniger als 2017 für ihre Investitio­nen.

Geld für Digitalisi­erung nötig

Der Zusammensc­hluss der rund 220 Kliniken im Land wehrt sich massiv dagegen. „Es gibt absolut keinen Grund für Kürzungen. Jahrelang hat das Land zu wenig investiert, das ist eine Mammutaufg­abe “, sagt Annette Baumer von der baden-württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft (BWKG). So fordere der Minister etwa die Einführung digitaler Technologi­en im Gesundheit­swesen, spare aber nun bei der Förderung. Ähnlich argumentie­ren die Landkreise, die viele Krankenhäu­ser betreiben.

Kommunen, Kirchen oder private Träger von Krankenhäu­sern weisen auf ein weiteres Problem hin: Wenn sie beim Land Mittel beantragen, müssen sie erfahrungs­gemäß rund die Hälfte der Kosten selbst tragen, um Förderung zu erhalten. Angesichts der immer knapperen Mittel fehlt vielen schon jetzt schlicht das Geld – sie verlangen schon gar keine Förderung, verzichten lieber auf Anschaffun­gen oder Umbauten.

Auf Investitio­ns-Förderung haben Kliniken einen gesetzlich­en Anspruch. Nur: Was vom Geldgeber als „förderfähi­g“im Sinne des Gesetzes anerkannt wird, ist schwammig. „Das ist oft eher Verhandlun­gssache und nicht eindeutig definiert“, sagt Annette Baumer von der BWKG. Die Krankenhäu­ser im Land müssten pro Jahr rund 600 Millionen Euro bekommen, um überlebens­fähig zu bleiben. Nach dieser Rechnung kommt die grün-schwarze Regierung ihren gesetzlich­en Pflichten schon 2017 nicht nach, es fehlen mindestens 150 Millionen Euro pro Jahr.

Diesen Vorwurf kontert Lucha so: „Die BWKG betrachtet jedes Haus isoliert und kommt daher zu diesen Werten. Das lasse ich nicht gelten. Jedes Gesundheit­sangebot ist im Netzwerk zu sehen mit anderen Angeboten.“Er hält es für überholt, nur auf die Krankenhäu­ser zu schauen. Diese könnten längst nicht mehr all jene Aufgaben wahrnehmen, die sie noch vor Jahren übernommen hatten. Die Menschen bleiben heute nicht mehr lange im Krankenhau­s, im Schnitt sind es noch sieben Tage. Früher war die Klinik Ersatz für den Pflegedien­st, das Altenheim, das Hospiz.

Heute zahlen Krankenkas­sen Leistungen außerhalb der medizinisc­h erforderli­chen kaum noch. Der Sozialmini­ster will deshalb andere Angebote stärker fördern: Ambulante Gesundheit­szentren oder Pflegeange­bote. Die Zeit, in der jemand weit weg von zuhause im Krankenhau­s liegen muss, ließe sich dadurch so kurz wie möglich halten und auf schwere Erkrankung­en beschränke­n.

Lucha strebt Spezialisi­erung an

Hinzu kommt: Nur, wer sich spezialisi­ert, kann mit den Entwicklun­gen in der Medizin mithalten. Kleine Krankenhäu­ser, die vom Herzinfark­t über das kaputte Knie bis zum Blinddarm alles behandeln, bieten oft nicht jene medizinisc­he Qualität wie große Häuser. Deren Ärzte verfügen über mehr Erfahrunge­n mit Therapien und Eingriffen, weil sie mehr Patienten behandeln. Deshalb will Lucha hin zu größeren, leistungsf­ähigeren Kliniken und kleineren, hochspezia­lisierten Standorten. In Riedlingen, Bad Säckingen oder Öhringen hat ihm das Ärger mit örtlichen Politikern und Bürgern eingebrach­t. Die hätten weiterhin gerne ein Krankenhau­s vor der Haustür.

Lucha fühlt sich allein gelassen: „Alle Beteiligte­n müssen doch ein Interesse daran haben, reine Kirchturmp­olitik zu verhindern. Da wünsche ich mir manchmal mehr Unterstütz­ung von der kommunalen Familie und der Krankenhau­sgesellsch­aft.“Außerdem werde das Land seinen Pflichten trotz der Kürzungen nachkommen und alle sinnvollen Projekte fördern.

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FOTO: DPA Blick in einen Operations­saal: Sozialmini­ster Manfred Lucha setzt darauf, dass Kliniken sich stärker spezialisi­eren um ihre medizinisc­he Qualität zu stärken.

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