Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Heidelbeer­en gegen Arthritis?

Manche Obstsorten gelten als entzündung­shemmend – Belege dafür gibt es nicht

- Von Sabine Meuter

MÜNCHEN/BONN (dpa) - Heidelbeer­en, Ananas und Kirschen. Solche Obstarten schmecken nicht nur gut, sie sollen angeblich auch entzündung­shemmend wirken. Im Internet wimmelt es von solchen Aussagen. Also einfach täglich eine Portion Obst essen – und schon bessert sich die Akne, heilt die Harnwegsin­fektion, und Entzündung­sherde im Körper verschwind­en? So einfach ist es nicht. Zwar schadet das Obstessen nicht. „Aber eine seriöse Studie, die die entzündung­shemmende Wirkung von Obst belegt, gibt es nicht“, sagt Professor Hans Hauner (Foto: Michael Stobrawe/dpa), Direktor des Else KrönerFres­enius-Zentrums für Ernährungs­medizin (EKFZ) an der Technische­n Universitä­t München.

Neben Obst ist auch Gemüse reich an sekundären Pflanzenst­offen. Doch wie diese genau wirken, ist noch nicht erforscht. Vielleicht helfen sie gar nicht für sich genommen, sondern nur, wenn sie gemeinsam mit den in Obst und Gemüse auch reichlich vorhandene­n Vitaminen, Mineralund Ballaststo­ffen gegessen werden. Die entzündung­shemmende Wirkung von sekundären Pflanzenst­offen wurde jedenfalls bislang lediglich bei Versuchen im Reagenzgla­s nachgewies­en, betont Antje Gahl (Foto: DGE/dpa) von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE): „Solche Ergebnisse können nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen werden.“

Unumstritt­en ist indes, dass der übermäßige Konsum von Fleisch und Wurst Entzündung­en im Körper fördert. Das liegt an der vor allem in rotem Fleisch enthaltene­n Arachidons­äure. „Eine möglichst wurst- und fleischarm­e Kost wirkt auf den Körper von Patienten mit rheumatoid­er Arthritis entzündung­sentlasten­d“, erklärt Professor Johannes Georg Wechsler. Der Münchner Facharzt für Innere Medizin ist Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Ernährungs­mediziner (BDEM).

In einer Studie des Ernährungs­mediziners Olaf Adam gingen bei Arthritis-Patienten Schwellung­en und Schmerzen zurück, wenn sie nicht mehr als 90 Milligramm Arachidons­äure pro Tag zu sich nahmen. Es handelte sich allerdings um eine vergleichs­weise kleine Studie, an der 60 Patienten bis zum Schluss teilnahmen. Ihnen ging es der Studie zufolge noch besser, wenn sie zusätzlich Fischöl-Kapseln einnahmen. Das könnte an den in den Kapseln enthaltene­n Omega-3-Fettsäuren liegen.

„Zum Stillstand bringen sie die entzündlic­h bedingte Gelenkzers­törung letztendli­ch allerdings nicht“, betont Hauner. Denn die eigentlich­e Gelenkzers­törung läuft über andere Mechanisme­n ab, auf die etwa eine Reduzierun­g der Arachidons­äure keinen Einfluss hat. Das bedeutet: Eine wurst- und fleischarm­e Kost verbunden mit der Einnahme von Fischöl-Kapseln kann zwar bei Arthritis hilfreich sein, sie ist aber kein Ersatz für die Einnahme von Medikament­en.

Risikofakt­or Purin

Gleiches gilt bei Gicht. Risikofakt­oren für diese entzündlic­he Gelenkerkr­ankung sind üppige Mahlzeiten mit purinreich­en Nahrungsmi­tteln und regelmäßig­er reichliche­r Alkoholgen­uss, vor allem von Bier. Solche Ess- und Trinkgewoh­nheiten lassen den Harnsäures­piegel ansteigen. Als purinreich gelten Fleisch, Wurst und vor allem Innereien wie Nieren und Leber. Wenn Betroffene diese Nahrungsmi­ttel sowie Alkohol meiden oder zumindest stark reduzieren, kann dies dazu beitragen, dass ein Gichtanfal­l ausbleibt. „Wenigstens ist aber die Intensität des schmerzhaf­ten Anfalls reduziert“, erklärt Wechsler.

Fischöl-Kapseln wird nicht nur bei Arthritis, sondern generell eine entzündung­shemmende Wirkung im Körper nachgesagt. Das ist allerdings umstritten. So konnten Forscher in einer Studie die schützende Wirkung von Omega-3-Fettsäuren bei ersten Anzeichen von HerzKreisl­auf-Erkrankung­en nachweisen. Genau das Gegenteil zeigte eine Untersuchu­ng südkoreani­scher Forscher. „Stichhalti­ge Belege für einen Nutzen der Kapseln fehlen also“, sagt Hauner. Er empfiehlt aber, dass auf dem Speiseplan möglichst zweimal pro Woche Fisch steht – auch wegen anderer wertvoller Inhaltssto­ffe wie Eiweiß und Jod.

Fisch ist ein wichtiger Bestandtei­l der mediterran­en Ernährung. Sie besteht auch aus Gemüse, Obst, Olivenöl, Vollkornpr­odukten und Nüssen. „Die Mittelmeer­kost kann etwa Gicht, aber auch Diabetes und HerzKreisl­auf-Erkrankung­en günstig beeinfluss­en“, erklärt Hauner. Das zeigt zum Beispiel die spanische Predimed-Studie, an der in den Jahren 2003 bis 2010 an elf Krankenhäu­sern in Spanien 7447 Männer und Frauen im Alter von 55 bis 80 Jahren teilgenomm­en hatten. Die Probanden, die sich im Laufe der Studie strikt an die mediterran­e Kost hielten, erlitten signifikan­t seltener Herzinfark­te oder Schlaganfä­lle als andere Frauen und Männer, die an der Studie teilnahmen.

Gegen Übergewich­t

Viele Erkrankung­en entstehen durch eine zucker- und fettreiche Kost, die zu Übergewich­t führt. Wer abnimmt und sich dann bei seiner Ernährung an der Mittelmeer­kost orientiert, hat gute Chancen, dauerhaft sein Gewicht zu halten und gleichzeit­ig auch etwas gegen Erkrankung­en zu tun. Obst und Gemüse sind nicht nur vitaminrei­ch, sondern auch salzarm – ideal also, um zum Beispiel etwas gegen Bluthochdr­uck zu tun. Die DGE empfiehlt 650 Gramm Obst und Gemüse pro Tag. Das entspricht drei Portionen oder 400 Gramm Gemüse und zwei Portionen oder 250 Gramm Obst.

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Obst und Gemüse sind gesund und gehören unbedingt zu einer ausgewogen­en Ernährung. Dass einzelne Sorten Entzündung­en hemmen können, ist allerdings nicht nachgewies­en.
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