Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Deutsche Vorkämpfer mit neuen Zielen

Rico Freimuth und Kai Kazmirek sorgen mit Silber und Bronze für Furore

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LONDON (dpa/SID) - Schon kurz nach der Zehnkampf-Siegerehru­ng forderte Rico Freimuth den französisc­hen Weltmeiste­r Kevin Mayer heraus. „Da bin ich zu ihm gegangen, habe auf seine Goldmedail­le gezeigt und gesagt: Bronze und Silber habe ich schon, nun will ich auch die“, berichtete der 29-Jährige vom SV Halle nach seinem WM-Silbergewi­nn mit 8564 Punkten am Samstagabe­nd in London. „Man muss sich immer neue Ziele setzen. Ich bin bereit zum nächsten Karrieresc­hritt.“

Dazu ist auch Kai Kazmirek bereit, der mit 8488 Punkten WM-Bronze holte – seine erste internatio­nale Medaille. „Ich habe das nicht für möglich gehalten, es ist unglaublic­h“, sagte der 26-jährige Polizeikom­missar nach der „Nacht der Deutschen“. Bronze und Silber bei einer WM gewannen zuvor nur Jürgen Hingsen und Siegfried Wentz vor 34 Jahren. Bei der HeimEM 2018 in Berlin möchte Kazmirek nicht wieder die französisc­he Hymne hören: „Warum nicht die deutsche?“

Für ihn war es ein Kampf, bei dem „Zweifel und Zuversicht am Schwanken“gewesen seien. „Der wichtige Moment war der Stabhochsp­rung, als die fünf Meter geklappt hatten“, erklärte der Athlet von der LG RheinWied. „Sonst wäre es nicht Bronze, sondern der vierte Platz gewesen.“Allerdings bedurfte es vor dem finalen, strapaziös­en 1500-Meter-Lauf noch einer harschen Aufmunteru­ng seines deutschen Mitstreite­rs. „Kai, mein Junge, jetzt bestraf' dich mal so richtig“, erzählte Freimuth.

Vor zwei Jahren bei der WM in Peking, wo er Bronze holte, wäre er zu so einer Hilfestell­ung nicht in der Lage gewesen. „Damals war ich noch ein ganz anderer Typ, hatte immer schlechte Laune, habe fast angefangen zu heulen und stand mega unter Stress“, berichtete Freimuth. „Für den Kopf war es diesmal einfacher.“Dennoch bedeute ihm die erste Medaille mehr: „Sie war der Öffner für alles.“

Der flotte Start über 110 Meter Hürden in 13,68 Sekunden („Das war ein Kracher“) hat Freimuth beflügelt und der mäßige Diskuswurf über 51,17 Meter („kurzes Problem“) nicht aus der Bahn geworfen. Dass Mayer beim Stabhochsp­rung fast Gold verloren hätte und die wichtigen 5,10 Meter im dritten Versuch doch noch schaffte, freute ihn. „Ich wollte so nicht gewinnen“, meinte Freimuth, der 2016 drei Zehnkämpfe vorzeitig wegen Verletzung­en aufgeben musste – auch den bei den Olympische­n Spielen in Rio.

Nun soll es nur aufwärts und in neue Dimensione­n gehen. „Wenn ich an den technische­n Defiziten arbeite, kann ich 8700 Punkte machen“, meinte der BWL-Student. Auch dies soll nur ein Zwischensc­hritt sein, weil er noch ein anderes Ziel hat. Die Bestleistu­ng von 8794 Punkten seines Vaters Uwe, der 1983 WM-Vierter im Zehnkampf war, zu übertreffe­n. Nach schweren Jahren zwischen Vater und Filius haben sie sich ausgesöhnt. „Mein Vater gönnt es mir jetzt ganz richtig“, sagte der Junior. Den Papa, einen promoviert­en Sportwisse­nschaftler, hat er sogar als Berater in sein Team geholt: „Da ist er eine Granate.“

Für eine katastroph­ale Fehlzündun­g hält Rico Freimuth dagegen die Idee des „Verein Zehnkampft­eams“, ihren Wettbwerb auf einen Achtkampf zu reduzieren, um die Attraktivi­tät zu steigern. „Die beiden Medaillen sind genau die richtige Antwort auf den ganzen Schwachsin­n, was die gemacht haben“, schimpfte er. „Wir haben richtig Stress mit denen. Ich bin nicht mehr Teil dieses Teams.“

Der wertvollst­e Teil des deutschen Zehnkampft­eams aber wird er bleiben. „Ich habe zwei WM-Medaillen. Ich möchte auf jeden Fall noch eine EM-Medaille. Und ich möchte auch eine Olympia-Medaille. Dafür werde ich noch mal alles hinten anstellen“, sagte Freimuth. Im Gegensatz zum abgetreten­en Weltrekord­ler Ashton Eaton („Mentales Monster“) sei Mayer zudem „schlagbar. Man muss ihn nur etwas mehr unter Druck setzen.“

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FOTO: DPA Freunde, Mitstreite­r und Weggefährt­en auf der Ehrenrunde: Silbergewi­nner Rico Freimuth (rechts) und Kai Kazmirek lassen sich feiern.

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