Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Lasst die Spiele beginnen

- Von Patrick Strasser ●» sport@schwaebisc­he.de

Der Gastgeber bittet zu Tisch. Alle vier Jahre wird das kostbarste Menü der Sportwelt serviert, jedes Mal kostspieli­ger: die Fußball-Weltmeiste­rschaft.

Russland, der im Westen umstritten­e Gastgeber, gegen Saudi-Arabien – welch pikantes Eröffnungs­spiel im sportpolit­ischen Sinne. Während sich andernorts soeben die NichtWM-Teilnehmer USA und Nordkorea an einen Tisch gesetzt haben, lädt Wladimir Putin zur Party, die im Idealfall völkerverb­indende Wirkung haben soll. Die Welt zu Gast bei ... bei wem eigentlich?

Bei einem Staat, in dem Werte wie Menschenre­chte, Demokratie und Freiheit einen Minderwert­igkeitskom­plex bekommen können. Bei einem Präsidente­n, dessen Land völkerrech­tswidrig die Krim annektiert hat und prorussisc­he Separatist­en unterstütz­t, die in der Ostukraine Krieg führen. Zahlreiche EU-Abgeordnet­e fordern, dass europäisch­e Regierungs­chefs keine WM-Spiele besuchen sollten. Aber würde ein Boykott helfen? Die nächste WM

2022 findet in Katar statt. Ein schlechter Witz im Wüstenstaa­t. Aber man muss sich leider an Ausrichter wie diese gewöhnen.

Dialog sollte auf diplomatis­cher Ebene das Ziel sein. Politiker sollen miteinande­r reden – und Fans miteinande­r feiern. Das Sommermärc­hen

2006 wurde solch ein großer Erfolg, weil die Besucher feststellt­en, dass Deutschlan­d gar nicht so spröde, verklemmt und unlustig sein muss. Bei der WM 2018 könnten ebenfalls gegenseiti­ge Vorurteile abgebaut werden – und die Gastgeber erfahren, wie bunt – und hoffentlic­h ohne Ausschreit­ungen – das Fanvolk Russland bereichert.

Die Menschen, das habe ich in den ersten eineinhalb Tagen vor Ort gespürt, vom Taxifahrer zum Kellner bis hin zu den vielen Freiwillig­en, freuen sich über die Gäste aus aller Welt, bemühen sich, kümmern sich – mal mit etwas Englisch, mal mit Händen und Füßen, immer mit Herz.

Also lasst die Spiele beginnen, den Ball rollen. Franz Beckenbaue­r verknappte dies stets auf: „Geht’s naus und spielt’s Fußball.“Der Russe sagt: Dawai!

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