Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
CSU-Politiker weisen Vorwürfe de Maizières zurück
Ex-Innenminister macht bayerische Kommunalpolitiker für fehlende Registrierung an der Grenze verantwortlich
BERLIN (dpa) - Ein knappes Jahr nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung erklärt der frühere Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erstmals ausführlich, warum er sich im September 2015 gegen die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze zu Österreich entschieden hat. Den unter anderem von seinem Nachfolger Horst Seehofer (CSU) geäußerten Vorwurf, die offenen Grenzen stellten eine „Herrschaft des Unrechts“dar, bezeichnet er in seinem am heutigen Montag erscheinenden Buch mit dem Titel „Regieren“als „ehrabschneidend“.
Die unter Innenpolitikern der Union damals umstrittene Entscheidung, jedem Asylbewerber ohne vorherige Identitätsprüfung die Einreise zu gestatten, rechtfertigt de Maizière unter anderem mit Bedenken bayerischer Kommunalpolitiker. „Besonders die kommunalpolitisch Verantwortlichen vor Ort in Bayern lehnten eine Registrierung im Grenzgebiet ab und bestanden darauf, dass die Flüchtlinge ohne Registrierung, die in jedem Einzelfall 30 bis 45 Minuten dauert, sofort weiterverteilt werden. Andernfalls könnten sie die Lage nicht mehr beherrschen“, schreibt er. Dies werde heute vergessen, wenn die Umstände rückblickend kritisiert würden, klagt de Maizière.
Nur „warme Worte“aus Berlin
Allerdings: Nicht alle erinnern es so. „Auf die Mehrheit der CSU-Landräte trifft das sicher nicht zu“, sagt einer, der diese Entscheidungen hautnah miterlebt hat. Ein anderer, der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU), nennt de Maizières Aussage im „Münchner Merkur“gar „Unsinn“. Erst auf Betreiben der Landräte sei die Registrierung überhaupt in geordnete Bahnen geraten. Aus Berlin seien „nur warme Worte und schlaue Sprüche“gekommen.
Unterstützung bekam Bernreiter von der Rosenheimer Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig (CSU). Sie sagte zu den Vorhaltungen de Maizières: „Bayerische Kommunalpolitiker mussten monatelang die Folgen des Nichthandelns von zuständigen Berliner Verantwortlichen ausbaden. Ihnen jetzt die Schuld in die Schuhe zu schieben, zeigt, dass manche nichts verstanden haben.“
De Maizière und andere Gegner des von der Bundespolizei erarbeiteten Plans für Zurückweisungen an der Grenze fürchteten negative Reaktionen der Bevölkerung, falls es an der Grenze zu unschönen Szenen kommen sollte. De Maizière führt in seinem Buch aus: „Eine konsequente Zurückweisung wäre zudem nur möglich gewesen unter Inkaufnahme von sehr hässlichen Bildern, wie Polizisten Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder mit Schutzschilden und Gummiknüppeln am Übertreten der Grenze nach Deutschland hindern.“Er betont: „Es gab mitnichten eine Entscheidung zu einer Grenzöffnung durch die Bundeskanzlerin“. Die Grenzen seien ja schon offen gewesen. Entschieden hat damals er selbst, zumindest formal.