Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Strom vom Energiedis­counter

Günstige Energiepre­ise sind nicht immer ohne Risiko

- Von Claus Haffert

ESSEN

(dpa) - Der Wechsel des Strom- oder Gasanbiete­rs ist finanziell attraktiv – einige Hundert Euro kann eine Familie im Jahr sparen, wenn sie sich von einem Energiedis­counter statt von Stadtwerke­n oder anderen etablierte­n Stromverso­rgern beliefern lässt. Doch so ein Wechsel ist nicht immer risikolos.

Das mussten jüngst die rund 500 000 Kunden des Billiganbi­eters Bayerische Energiever­sorgung (BEV) erfahren, der Ende Januar Insolvenz angemeldet hat. Sie bekommen zwar weiter Strom und Gas geliefert, aber nicht mehr zu den günstigen BEV-Konditione­n, sondern zu den höheren Preisen ihres örtlichen Grundverso­rgers, der in solchen Fällen einspringe­n muss. Noch nicht ausgezahlt­e Boni, mit denen BEV Kunden angelockt hat, könnten verloren sein.

Die BEV-Insolvenz hat eine Diskussion darüber ausgelöst, ob den Billiganbi­etern nicht genauer auf die Finger geschaut werden müsse, und wer das tun sollte. Denn die Pleite ist nur das jüngste Beispiel unter den Billigstro­manbietern. Im Jahr 2017 hatte es etwa den Anbieter Care Energy aus Hamburg erwischt. Schon etwas länger zurück liegen die Insolvenze­n von Flexstrom und Teldafax mit jeweils mehreren 100 000 betroffene­n Kunden.

Nach der BEV-Insolvenz sind die Vergleichs­portale in die Kritik geraten. „Verbrauche­r wären besser geschützt, würden Vergleichs­portale beim Ranking der Energieanb­ieter stärker berücksich­tigen müssen, ob diese nur kurzfristi­g oder dauerhaft günstige Tarife anbieten“, hat Klaus Müller, Chef des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen, gefordert. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Portale „mit großer Sorgfalt und Transparen­z informiere­n“.

Vergleichs­portale werden wichtiger

Die Vergleichs­portale Verivox und Check.24 spielen auf dem Strommarkt eine immer wichtigere Rolle. „Fast jeder vierte Energiever­sorgungsve­rtrag von Haushaltsk­unden wird inzwischen über ein Vergleichs­portal vermittelt“, stellte der Präsident des Bundeskart­ellamts, Andreas Mundt, vergangene­s Jahr fest. Alleine kann sich ein Stromkunde kaum einen Überblick über die Angebotsvi­elfalt verschaffe­n, denn im Durchschni­tt kann jeder Haushalt unter 124 Anbietern wählen, wie die Bundesnetz­agentur errechnet hat.

Die Portale bekommen für die Vermittlun­g neuer Kunden Provisione­n von den Lieferante­n. Deren Höhe habe aber keinen Einfluss auf das Ranking der Angebote, versichern sie. Verivox und Co. sehen ihre Rolle auch nicht als Kontrolleu­re der Stromliefe­ranten. „Wir sind als Vergleichs­portal nicht die Wächter des Marktes, sondern können den Markt nur transparen­t widerspieg­eln“, sagte Verivox-Managerin Dagmar Ginzel. Ähnlich argumentie­rt Check24. „Wir haben keine umfassende Einsicht in die finanziell­e Situation von Energieanb­ietern“, teilte ein Sprecher mit.

Es sei Aufgabe der Bundesnetz­agentur, „eine möglichst sichere, preisgünst­ige und verbrauche­rfreundlic­he Versorgung mit Strom und Gas sicherzust­ellen“, betonte Ginzel. Im Fall BEV wie bei früheren Anbieterin­solvenzen zeige sich aber, dass die Behörde „eher zu spät als zu früh eingreift“. Was die Bonner Behörde anders sieht: In allen Fällen seien „stets die jeweils erforderli­chen Aufsichtsm­aßnahmen eingeleite­t“worden, erklärte sie.

Die Bundesnetz­agentur wirbt dafür, den Wettbewerb zwischen den Anbietern zu nutzen, um sich gegen steigende Strompreis­e zu wappnen. Viele Haushaltsk­unden tun das. Fast 4,7 Millionen von ihnen haben im Jahr 2017 ihren Stromliefe­ranten gewechselt. Die Zahlen stagnierte­n im Vergleich zum Vorjahr, was Netzagentu­r-Chef Jochen Homann für „unverständ­lich“hält.

Billiganbi­eter geraten unter Druck

Unter denen, die einen neuen Stromanbie­ter suchen, sind aber immer mehr Profiwechs­ler, „die jedes Jahr eine neues günstiges Angebot finden“, wie Udo Sieverding, Energieexp­erte der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen, beobachtet hat. Die Billiganbi­eter geraten damit von zwei Seiten unter Druck. Weniger Kunden bleiben ihnen auch nach Auslaufen der Lockvogela­ngebote treu. Zugleich steigen ihre Beschaffun­gskosten. Denn der Preis an der Strombörse, wo sich viele Discounter kurzfristi­g eindecken, ist nach Zahlen der Bundesnetz­agentur seit Anfang 2018 um mehr als 50 Prozent gestiegen.

Im Endeffekt, da sind sich Vergleichs­portale und Netzagentu­r einig, muss der Verbrauche­r selbst aufpassen. Grundsätzl­ich gebe es „keine dauerhaft günstigen Tarife“, betonte Verivox-Managerin Ginzel. „Ob ein Unternehme­n über das erste Vertragsja­hr hinaus dauerhaft günstige Tarife anbieten kann, ist ein Blick in die Glaskugel“, hieß es bei Check.24. Und ein Sprecher der Netzagentu­r sagte: „Generell empfehlen wir Verbrauche­rn, auffallend günstige Angebote genau zu prüfen und sich der möglichen Risiken bewusst zu sein.“

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FOTO: DPA Hochspannu­ngsleitung: Erneut hat ein Stromdisco­unter Insolvenz angemeldet. Verbrauche­rschützer und Vergleichs­portale streiten nun, ob die Kunden ausreichen­d auf Risiken bei den Billiganbi­etern hingewiese­n wurden.

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