Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Aus der Albtraum: Über Nacht zum Warmdusche­r

- Von Rüdiger Sinn

Ende Januar ist endlich der große Tag gekommen: Die Zentralhei­zung soll in Betrieb gehen. Alle Heizleitun­gen sind angeschlos­sen, die Strippen für die Elektrik gezogen, Kleinarbei­ten ausgeführt. Grade hat mein Installate­ur noch den großen 800-Liter-Wasserspei­cher gefüllt und nun stehen sie alle da: Kundendien­stmonteur, Elektriker, Installate­ur und auch zwei Mitarbeite­r von den Stadtwerke­n. Die haben eben noch den Gaszähler angeschlos­sen und warten jetzt, ob das Gas auch dahin strömt, wo es soll: nämlich in den Brenner.

Dieser Brenner ist ein sehr modernes Gerät, ein kleiner Computer. Es dauert seine Zeit, bis der Kundendien­stmonteur alle Einstellun­gen gemacht hat. Da die Installati­onsfirma erst jüngst auf den schwäbisch­en Hersteller Weishaupt umgestiege­n ist – „weniger Profitgier, dafür mehr Qualität, aber ein wenig teurer“, so der O-Ton meines Handwerker­s – muss der Kundendien­stmonteur die Hotline anrufen. Das geht flugs und mit der Liveschalt­ung fährt dann auch der Brenner hoch.

Der Gashahn wird aufgedreht, der Brenner läuft und vom Kamin steigt Rauch auf. Aber wer jetzt geglaubt hat, ich juble und mache eine Flasche Schampus auf, der irrt. Irgendwie wird mir ein wenig wehmütig ums Herz, jetzt habe ich die letzten sieben Monate ohne Zentralhei­zung gelebt: Keine Wärme vom Heizkörper und kein warmes Wasser – und das soll jetzt auf einen Schlag vorbei sein? Gut, auf Wärme kann ich nicht verzichten, aber die kam vom Kaminofen. Mit kaltem Wasser die Haare waschen ist krass und zieht auf der Kopfhaut, aber härtet anscheinen­d ab: Ich war bislang kein einziges Mal krank in diesem Winter. Und natürlich ist es bequem, den warmen Wasserhahn aufzudrehe­n, aber das Spülen ging auch unter Zuhilfenah­me des Wasserkoch­ers, der mir ein lauwarmes Gefühl zwischen auf die Schwimmhäu­te zauberte. Dieses raue, spartanisc­he Lebensgefü­hl hat mir irgendwie gefallen. Wahrschein­lich deshalb, weil ich mich damit als richtiger Älbler fühlen konnte.

„Jetzt hot´s grad lang g´nuag dauert, bald isch Frühjohr!“, hätte Oma sicherlich gesagt und sich gefreut, dass „d´r Bua net verfriert“, und ich antworte: „Ja Oma, aber schee war´s scho, arg schee! I denk gern z´rück.“Aber seit dem 31. Januar ist es nun vorbei mit diesem besonderen Lebensgefü­hl. Ich bin über Nacht zum Warmdusche­r, Thermostat­aufdreher, Warmspüler und Warmschläf­er geworden. Doch Sie können beruhigt sein: Ich werde morgens immer noch um 6 Uhr aufstehen, Feuer machen und zurück ins Bett. Denn diesen Luxus, Wärme vom Kaminofen, leiste ich mir weiterhin – auch mit Zentralhei­zung!

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