Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Das Kalifat ist am Ende – die Terrormili­z IS nicht

- Von Thomas Seibert, Istanbul

In einem kleinen Dorf am Euphrat könnte in diesen Tagen das Schlusskap­itel des „Kalifats“der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) in Syrien geschriebe­n werden. Amerikanis­che Kampfjets und kurdische Bodentrupp­en greifen in der Gegend um die Ortschaft Baghuz im Südosten von Syrien an der irakischen Grenze die letzte Bastion des IS an. Schätzungs­weise 500 bis 600 ISKämpfer haben sich mit ihren Familien in dem Dorf verschanzt. Darunter sind viele kriegserfa­hrene Extremiste­n, die sich entschloss­en haben, bis zum bitteren Ende Widerstand zu leisten. Ihr Anführer, IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi, ist wahrschein­lich jedoch nicht unter ihnen. Er soll geflohen sein, möglicherw­eise nach einem Attentatsv­ersuch aus den eigenen Reihen.

Auf dem Höhepunkt ihrer Schreckens­herrschaft im Jahr 2015 kontrollie­rten die Dschihadis­ten große Teile von Zentral- und Ostsyrien sowie der westlichen Provinzen des Irak. IS-Kämpfer überrannte­n Städte wie Rakka in Syrien und Mossul im Irak und erhielten starken Zulauf von Extremiste­n aus aller Welt.

Der Anfang vom Ende für das „Kalifat“kam, als sich die USA mit der syrischen Kurdenmili­z YPG verbündete­n, um gegen die Dschihadis­ten vorzugehen. In den vergangene­n drei Jahren ist der IS durch Luftschläg­e der USA und anderer westlicher Staaten sowie Angriffe der kurdischen Verbände am Boden zurückgedr­ängt worden. Im Irak setzten Offensiven der irakischen Armee und proiranisc­her Milizen dem Islamische­n Staat zu. Die Türkei betrachtet die YPG allerdings als Terrorgrup­pe und will nach dem angekündig­ten Abzug der USA aus Syrien gegen die Kurdenmili­z vorgehen. Die Kurden fühlen sich vom Westen allein gelassen. Derzeit kämpfen sie jedoch weiter an der Seite der USA.

Die Anti-IS-Koalition hatte mit dem Beginn ihrer Schlussoff­ensive eine Woche gewartet, um Zivilisten die Möglichkei­t zu geben, die Gegend zu verlassen. Am Montag wurden bei Luftangrif­fen der Koalition laut Berichten der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte dennoch nicht nur 19 IS-Kämpfer getötet, sondern auch 16 Zivilisten , darunter mindestens sieben Kinder.

Eine Einnahme von Baghuz durch die Kurden wäre zwar das Ende des „Kalifats“– aber nicht das Ende des IS. In der zentralsyr­ischen BadiaWüste halten sich noch Verbände der Extremiste­n, auch wenn sie dort kein Gebiet mehr völlig kontrollie­ren können. IS-Anhänger verüben zudem immer wieder Terroransc­hläge in Teilen von Syrien, aus denen die Extremiste­n längst vertrieben worden sind. Mitte Januar tötete ein ISSelbstmo­rdattentät­er im nordsyrisc­hen Manbidsch 18 Menschen, darunter vier US-Soldaten.

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FOTO: AFP Zivilisten auf der Flucht aus der letzten IS-Bastion Baghuz in Syrien.

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