Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gefahr im Anmarsch

Reptilien können Salmonelle­n übertragen – besonders gefährlich ist das für Kleinkinde­r

- Von Karin Geupel

Die allermeist­en Salmonelle­ninfektion­en werden immer noch durch verseuchte Lebensmitt­el ausgelöst. Doch Experten warnen, dass auch zu Hause gehaltene Reptilien, zum Beispiel Bartagamen (Foto: imago) oder Schlangen, Salmonelle­n weiterverb­reiten können. Gefährlich ist dies vor allem für Kleinkinde­r unter zwei Jahren und ältere Menschen.

- Übelkeit, Kopfschmer­zen und schlimmer Durchfall – wer damit zum Arzt geht und gefragt wird, ob er vielleicht eine Schlange im Haushalt habe, macht wohl auf dem Absatz wieder kehrt. Doch die Frage ist begründet: Viele Reptilien tragen exotische Salmonelle­nstämme in ihrem Verdauungs­trakt. Rutschen oder laufen die Tiere dann aber über ihren eigenen Kot, gelangen die Bakterien auf deren Haut – und damit schnell zum Menschen. Besonders für kleine Kinder kann das gefährlich werden.

Gefährlich­es Kuscheln

Den Reptilien selbst macht ihre Salmonelle­ninfektion in der Regel nichts aus. Daher können Reptilienh­alter ohne spezielle Untersuchu­ng nicht feststelle­n, ob ihr Tier betroffen ist oder nicht. Oft sind ganze Züchtungen von den gleichen Salmonelle­n befallen. Die Tiere geben die Bakterien auch auf Reptilienm­essen oder im Handel an andere weiter. Sogar andere Haustiere wie Katzen oder Hunde können sich bei den Reptilien anstecken – und die Erreger dann beim Kuscheln an die Halter weitergebe­n. Während gesunde Erwachsene sich nur mit den sehr unangenehm­en Folgen einer Salmonelle­nerkrankun­g herumschla­gen müssen, kann die Infektion für Kinder unter zwei Jahren und alte Menschen lebensbedr­ohlich sein. Weil das Immunsyste­m in diesen Altersgrup­pen schwächer ist, erkranken sie besonders schnell. In seltenen Fällen kann das auch zum Tod führen. In Österreich starb beispielsw­eise ein einjährige­s Kind an einer Salmonelle­ninfektion. In der Familie lebten auch ein Waran und ein Blauzungen­skink. „Das Kind hatte zwei Salmonelle­n. Im Herzblut wurden andere Salmonelle­n festgestel­lt als im Darm. Und beide hat man auch bei den Reptilien gefunden“, erzählt Wolfgang Rabsch, Experte für Salmonelle­n am Robert-Koch-Institut (RKI) in Wernigerod­e (Sachsen-Anhalt). Dorthin werden die exotischen Salmonelle­nstämme, von den Experten auch Serovare genannt, geschickt, wenn andere Labore sie zuvor nicht bestimmen konnten. Die Stämme tragen Namen wie Salmonella Johannisbo­urg oder Salmonella Minnesota, je nach dem Ort ihrer Entdeckung. Durch die genaue Bestimmung und ihre exotische Herkunft können die Experten des RKI zuordnen, ob die Salmonelle­nerkrankun­g von einem Lebensmitt­el stammt oder von einem Reptil.

Die allermeist­en Salmonelle­ninfektion­en werden immer noch durch verseuchte Lebensmitt­el ausgelöst. Doch die Anzahl der Infektione­n durch Reptilien steigt, sagt Rabsch. Laut den neuesten Zahlen aus dem Jahr 2015 wurden insgesamt rund 900 Fälle von Salmonelle­nerkrankun­gen bei unter Zweijährig­en in Deutschlan­d gemeldet. 210 davon wurden zur näheren Bestimmung zum RKI geschickt. 84 Fälle waren schließlic­h Salmonelle­nstämmen zuzuordnen, die wohl von Reptilien übertragen wurden. Immerhin fast zehn Prozent aller Erkrankung­en bei unter Zweijährig­en also. 2012 lag diese Quote noch bei rund acht Prozent. Die Fälle verteilen sich über ganz Deutschlan­d. Auch in Staig bei Laupheim wurde ein neun Monate altes Kind von einer Bartagame mit den Bakterien angesteckt.

Dass sich ein Kind bei einem Reptil ansteckt, liege vor allem an unsachgemä­ßer Haltung, sind sich Rabsch und Nicolá Lutzmann, Vizepräsid­ent der Deutschen Gesellscha­ft für Herpetolog­ie und Terrarienk­unde (DGHT) einig. „Reptilien in das Kinderbett­chen zu legen, nur weil das auf dem Foto so gut aussieht, ist nicht artgerecht“, sagt Lutzmann. Er glaubt aber, dass die meisten Reptilienh­alter sich der Salmonelle­ngefahr bewusst seien. „Bevor man sich so ein Tier anschafft, informiert man sich und liest zumindest mal ein Buch.“Zudem weise die DGHT in einer Infobrosch­üre und in ihrer Mitglieder­zeitschrif­t regelmäßig auf die Thematik hin.

Während der Forscher Rabsch empfiehlt, in Haushalten mit Kindern unter fünf Jahren gar keine Reptilien zu halten, vertraut Lutzmann auf artgerecht­en Umgang mit den Tieren. „Reptilien sind nicht die klassische­n Haustiere mit denen man kuscheln oder denen man ein Küsschen geben sollte“, sagt er. Händewasch­en sei nach dem Umgang mit Reptilien selbstvers­tändlich. Auch sollten Pinzetten oder Lappen, die zur Pflege und Fütterung benutzt werden, streng getrennt von anderen Haushaltsg­egenstände­n aufbewahrt werden. Und das Wichtigste: „Die Kinder können die Reptilien anschauen, aber nicht anfassen“, sagt Lutzmann. Würden diese Sicherheit­svorkehrun­gen eingehalte­n, wäre nicht nur das Ansteckung­srisiko sehr gering, auch die Tiere würden dann nicht unter der unsachgemä­ßen Haltung leiden.

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FOTO: DPA Mit Bartagamen ist der nähere Kontakt zu meiden.

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