Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nichts gegen die Doppelspit­ze

Das Vertrauen des neuen VfB-Trainers Tayfun Korkut in Stürmer Daniel Ginczek zahlt sich aus

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART – Es gibt viele Arten, elf Fußballer auf dem Rasen zu positionie­ren, 28 gebräuchli­che Varianten genau, zumindest kann man bei transferma­rkt.de seine Traumelf im 3-1-4-2, 4-1-3-2, 4-4-1-1 oder im 4-4-2 Version Libero-Raute spielen lassen oder auch in 24 Alternativ-Grundordnu­ngen. Beim VfB Stuttgart bot der Trainer Hannes Wolf in seinen 16 Amtsmonate­n zumeist ein 4-2-3-1 auf oder auch ein 3-4-3-1, je nach Laune und Gegner. Auf die Idee, einen zweiten Stürmer ins Rennen zu schicken, kam Wolf höchst selten, obwohl er eigentlich einen veritablen im Kader hatte, einen Ex-Dortmunder sogar, wie er selbst: Daniel Ginczek, der in 60 oft unvollende­ten Erstligapa­rtien für den VfB immerhin 23 Treffer erzielt hat.

Warum Wolf nicht auf ihn setzte, ob aus zu großer Vorsicht oder taktischer Überzeugun­g und wie sehr Ginczek das grämte, darüber wollte der 26-Jährige am Sonntagabe­nd nach dem 1:0 gegen Mönchengla­dbach nicht reden. „Ich war eben auch oft verletzt“, räumte er ein, „prinzipiel­l aber lebe ich im Hier und Jetzt und versuche, die Vergangenh­eit Vergangenh­eit sein zu lassen.“Viele Menschen sagen das, den wenigsten gelingt es. Ginczek allerdings hatte erfreulich­e Gründe, sich der Realität zu widmen. Bereits nach vier Minuten hatte er das goldene Tor geschossen, eine formidable Leistung geboten und mit Vorlagenge­ber Mario Gomez bewiesen, dass das eben „gut funktionie­ren kann mit der Doppelspit­ze und zwei Großen in der Mitte“. Ochsenstur­m hat Ginczek so ein Duett einst genannt, wenn zwei Hünen wie er, 1,91 Meter groß, und Gomez, 1,87 respektive Vorgänger Simon Terodde, 1,92, den Angriff bilden. Was unbeweglic­h klingt, kann auch Vorteile bringen: „Beide haben eine unglaublic­he körperlich­e Präsenz, so was hat schon Wirkung auf Abwehrspie­ler“, findet VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler.

Kapitän Gentner geht voran

Ginczek ist natürlich dankbar für den Plan des Wolf-Nachfolger­s Tayfun Korkut, offensiver zu spielen und ihm Vertrauen zu schenken. „Ich war happy, als er mir das sagte, und wenn du dann gleich ein Tor machst, dann läuft es praktisch von allein“, erzählte er. Ganz so risikolos sei das 4-4-2-System schließlic­h nicht. „Es ist laufintens­iver, weil einer ja defensiv immer die 10 ist und zurück muss, um Löcher zu stopfen. Aber Mario und ich haben viel darüber geredet, wir wissen: Wir sind zwar unterschie­dliche Typen, trotzdem kann mal er der Wandspiele­r sein und ich aus der Tiefe kommen und in Räume gehen, mal umgekehrt.“In der Realität war es meist Ginczek, der von hinten kam und rennen musste. Für einen Stürmer imposante 12,37 Kilometer waren es am Ende, so viel, dass Ginczek „richtig platt war“.

Durchgespi­elt hatte er bis dato nie in dieser Saison, „einige hätten mir das wohl nicht zugetraut“, sagte er. „Ich bin auf einem guten Weg, meinen alten Rhythmus zu finden.“

Ob die Doppelspit­ze die dauerhafte Erfolgsfor­mel ist für den neuerdings wieder harmonisch­eren VfB – wenn man von einem „Lügner! Blender! Spalter!“-Transparen­t gegen Präsident Wolfgang Dietrich in der Cannstatte­r Kurve absieht –, ist die Frage. Ginczek betonte, man habe damit nun drei starke Halbzeiten gespielt – schon das 1:1 in Wolfsburg hatte Stuttgart auch seiner Hereinnahm­e zur Pause zu verdanken. Kapitän Christian Gentner wiederum sagte, das System hänge auch vom Gegner ab. „Wichtig ist, variabel zu bleiben.“ Aber auch der 32-jährige Routinier scheint viel von Ginczek zu halten. Was denn dagegen spräche, immer mit Doppelspit­ze zu spielen? „Naja, eigentlich nichts“, sagte Gentner und lachte. Am Sonntag im Derby in Augsburg, gegen Frankfurt und in Köln dürfte die Taktik also ähnlich sein.

Auch Gentner war maßgeblich dafür verantwort­lich, dass Korkuts Plan aufging. Nachdem er in Wolfsburg anfangs noch eine Art Halbstürme­r war, hatte er diesmal im rechten Mittelfeld einen weit defensiver­en Part, setzte aber auch offensiv Akzente, löste die Aufgabe also erneut tadellos. Wo er denn am Wertvollst­en sei, wurde er gefragt. „Da, wo ich der Mannschaft und dem Trainer am meisten helfen kann. Er hält mich für einen intelligen­ten Spieler, der sich auf Neues einstellen kann“, sagte Gentner.

Nur an der Mitte seiner Viererkett­e, da muss Tayfun Korkut noch etwas feilen – der Auftritt von Dennis Aogo war eher ambivalent. Vielleicht wird Chadrac Akolo bald die Chance auf der Acht bekommen, damit Stuttgart nicht nur mit Glück, sondern verdient gewinnt. Womöglich ist diese Variante aber selbst für Korkut zu gewagt. Der Trainer meinte, „vielleicht war heute so ein Tag, wo man das Ergebnis einfach mit allem, was man hat verteidige­n muss“. Der Held des Tages sah es ähnlich. Man habe nach der Pause kaum für Entlastung sorgen können, räumte Daniel Ginczek ein. „Umso stolzer bin ich, dass wir diesen Abnutzungs­kampf gewonnen haben.“

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FOTO: IMAGO Mario Gomez (li.) und Daniel Ginczek.

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