Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Touristen am silbernen Faden

Das Emirat Ras al Khaimah setzt mit der längsten Zipline der Welt auf Aktivurlau­b

- Von Philipp Laage

RAS AL KHAIMAH (dpa) - Die Zukunft Ras al Khaimahs hängt an einem stählernen Faden. An einer Zipline, um genau zu sein. Und weil das kleine Emirat nun einmal am Persischen Golf im Schatten Dubais und Abu Dhabis liegt, handelt es sich nicht um irgendeine Drahtseilr­utsche, sondern um die längste Zipline der Welt. Mit dieser Attraktion will Ras al Khaimah Aktivtouri­sten anlocken – und sein etwas langweilig­es Image als reine Badedestin­ation aufpoliere­n.

Bislang hält die Zipline „The Monster“auf Puerto Rico mit 2200 Metern den Weltrekord, ebenfalls vom Hersteller Toro Verde. Jetzt wurde die Seilrutsch­e in Ras al Khaimah für Touristen eröffnet.

Drei-Minuten-Flug

Rund drei Kilometer überwindet die neue Zipline, zwei Kabel verlaufen parallel. So können sich Urlauber quasi ein Rennen liefern. Die freihängen­de Fahrt vom Gipfel des Jebel Jais, mit 1934 Metern höchster Berg der Emirate, dauert gut drei Minuten. So viel Adrenalin war bei einer Reise nach Ras al Khaimah bislang selten.

Derzeit kommen fast nur Badeurlaub­er in das kleine Emirat, das mit folgenden Standortfa­ktoren um Gäste wirbt: Am Persischen Golf ist es ganzjährig warm. Die Flugzeit ab Deutschlan­d ist mit rund sechs Stunden für ein Warmwasser­ziel im Winter noch akzeptabel, die Zeitversch­iebung mit drei Stunden wenig störend. Und die Preise der Pauschalpa­kete halten sich vergleichs­weise in Grenzen. Ras al Khaimah wirbt mit Fünf-Sterne-Service zum Vier-Sterne-Preis.

Die Reiseveran­stalter stimmen in das Loblied ein. Ein versteckte­s Juwel mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis sei das Emirat, sagte ThomasCook-Chefin Stefanie Berk im Dezember, als der Deutsche Reiseverba­nd (DRV) in Ras al Khaimah zur Jahrestagu­ng zusammenka­m. FTIChef Ralph Schiller sprach von einer „Ganzjahres­destinatio­n“für die ganze Familie. Der Münchner Reiseveran­stalter bot zeitweilig Vollcharte­rflüge von Deutschlan­d zum Flughafen Ras al Khaimah an. Die allermeist­en Gäste reisen derzeit allerdings über Dubai an.

Fast 5000 neue Zimmer geplant

Etwa 70 Prozent der deutschen Urlauber in Ras al Khaimah sind tatsächlic­h Familien. In einem Hotel wie dem „DoubleTree by Hilton Resort & Spa“auf der künstliche­n Insel Marjan Island sieht das Publikum im Frühstücks­raum nicht anders aus als in einer Ferienanla­ge auf Gran Canaria oder Kreta. Momentan gibt es 22 Herbergen mit insgesamt über 5000 Hotelzimme­rn in dem Emirat.

Die Ziele sind ehrgeizig: In den nächsten drei Jahren sollen 4445 neue Zimmer im Drei- bis FünfSterne-Bereich hinzukomme­n, vor allem auf Marjan Island. Bis 2025 sind allein dort 16 neue Hotels geplant – von Radisson Blu bis Mövenpick. Thomas Cook wird vor Ort bald ein Hotel seiner Familienma­rke „Smartline“eröffnen. Haitham Mattar, der Chef der Ras al Khaimah Tourism Developmen­t Authority, formuliert es in der technokrat­ischen Sprache des Tourismusm­arketings: „Unsere Marken und Produkte sind ansprechen­d für die Kundschaft in Europa.“

Ras al Khaimah will jedoch in Zukunft auch außerhalb der Hotels und Resorts etwas bieten. Derzeit ist da nicht viel. Nationalmu­seum und Dhayah Fort sind zwei Zeugnisse der Kulturgesc­hichte, die so etwas wie Sehenswürd­igkeiten darstellen. Das Fazit vieler Besucher lautet jedoch: nicht unbedingt sehenswert. Andere archäologi­sche Stätten sollen erst noch richtig herausgepu­tzt werden.

Aussichtsr­eicher sind Aktivitäte­n in den Bergen, denn die hat weder Dubai noch Abu Dhabi. Und so können Urlauber im Hadschar-Gebirge Wanderunge­n und Mountainbi­keTouren unternehme­n und eine Nacht unter den Sternen schlafen. Die Landschaft ist das Pfund, mit dem Ras al Khaimah wuchern kann.

Einen Vorgeschma­ck auf die Rekord-Zipline gibt ein Kletterste­ig mit drei kürzeren Seilrutsch­en, der bereits 2017 eröffnet wurde, für Aktivurlau­ber und solche, die es noch werden wollen. Auf einer Länge von 470 Metern zieht sich die mit Drahtseile­n und Haken gesicherte Via Ferrata über den sandfarben­en Stein eines Felshangs. Der Steig ist ausgesetzt, aber nicht besonders schwierig, geeignet für Einsteiger.

Auf Nummer sicher

Der Ägypter Hossam Bakr und seine Kletterkol­legen aus Indien und Mauritius geben eine Einweisung in die Grundlagen der Technik. Geduldig, ausgeruht, freundlich. Anfangs habe es auch schwierige­re Routen durch die Wand gegeben. Aber nun ist nur noch ein Kletterste­ig offen, maximal 16 Personen täglich sind erlaubt. Eine Gruppe geht morgens, eine nachmittag­s. „Viele Leute haben sich überschätz­t“, erzählt Bakr. Nun geht man lieber auf Nummer sicher.

Gurt anschnalle­n, Helm aufsetzen, klettern. Viele Passagen gleichen schmalen Pfaden. Die Guides sind stets zur Stelle, wenn ein Gruppenmit­glied Hilfestell­ung benötigt. Erst folgen zwei kürzere Ziplines, dann eine längere. Das Herz schlägt schneller, während man durch die Luft segelt. Unten auf der Straße hat ein Auto angehalten, und ein Araber filmt das ungewohnte Spektakel mit seinem Tablet. Nach rund drei Stunden ist die Tour vorbei.

Viel aufregende­r wurde es in Ral al Khaimah bislang jedoch nicht. Die meisten Urlauber kommen nach wie vor in das Emirat, um sich am Hotelstran­d in die Sonne zu legen und abzuschalt­en. Mit dem Gigantismu­s in Dubai und dem neuen Louvre in Abu Dhabi kann man ohnehin nicht mithalten. „Wir sind nicht in Eile, hier den höchsten Wolkenkrat­zer und die größte Mall zu bauen“, sagt Tourismusc­hef Mattar. „Das haben wir eine Stunde entfernt.“

Nach Ras al Khaimah reisten 2017 rund 820 000 Besucher, 2019 sollen es eine Million werden und 2025 schon drei Millionen. Die Ambitionen sind also groß. Die Zipline könnte ihren Teil dazu beitragen. Denn am Persischen Golf wissen die Verantwort­lichen genau, was internatio­nal Aufmerksam­keit bringt.

Anreise und Formalität­en: Emirates fliegt von mehreren deutschen Städten zum internatio­nalen Flughafen von Dubai. Von dort ist es mit dem Transferbu­s rund eine Stunde bis Ras al Khaimah. Für die Einreise in die Vereinigte­n Arabischen Emirate reicht deutschen Urlaubern ein Reisepass, der noch mindestens sechs Monate über die Reise hinaus gültig sein muss. Weitere Informatio­nen unter https://de.rasalkhaim­ah.ae

 ?? FOTOS: DPA ?? Bis zu 150 Stundenkil­ometer schnell werden Wagemutige auf der neuen Rekord-Zipline in Ras al Khaimah.
FOTOS: DPA Bis zu 150 Stundenkil­ometer schnell werden Wagemutige auf der neuen Rekord-Zipline in Ras al Khaimah.
 ??  ?? Wer sich an die Zipline hängt, kann sich vieler Zuschauer sicher sein.
Wer sich an die Zipline hängt, kann sich vieler Zuschauer sicher sein.
 ??  ?? Die Zipline endet spektakulä­r auf einer kleinen, frei schwebende­n Landeplatt­form.
Die Zipline endet spektakulä­r auf einer kleinen, frei schwebende­n Landeplatt­form.

Newspapers in German

Newspapers from Germany