Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Beziehunge­n gestalten mit Hilfe der Kunstthera­pie

Therapeute­n-Arbeitstre­ffen mit 27 Fachkräfte aus Baden-Württember­g und der Schweiz

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MECKENBEUR­EN (sz) - Ob malen, sägen, filzen, töpfern oder einfach nur mit den Händen in bunte Fingerfarb­en eintauchen: Kunstthera­pie hat an der St. Lukas-Klinik der Stiftung Liebenau einen hohen Stellenwer­t. Dabei zählt nicht das sichtbare Ergebnis, sondern das innere Erleben der jungen Patienten. „In der Kunstthera­pie entsteht viel mehr als das, was man sehen kann: Die Patienten erleben ein Gefühl von Zufriedenh­eit und Sicherheit“, berichten die Kunstthera­peutinnen Monika Schlenker und Nadine de Fries. Sie haben ihre Erfahrunge­n und Erkenntnis­se bei einem Arbeitstre­ffen mit 27 Kollegen aus Baden-Württember­g und der Schweiz ausgetausc­ht.

Monika Schlenker und Nadine de Fries begleiten mit ihrer kunstthera­peutischen Arbeit vor allem Kinder und Jugendlich­e, die zusätzlich zu ihrer Behinderun­g eine psychische Erkrankung haben und deshalb in der St. Lukas-Klinik behandelt werden. Das heißt: „Sie kommen in Extremsitu­ationen zu uns“, erklärt Monika Schlenker. Hier setzt die Kunstthera­pie an: „Wir bieten ihnen einen Ruhepol. Hier können sich die Patienten außerhalb des Stationsal­ltags neu zeigen“, sagt Nadine de Fries.

Beispielha­ft erzählen sie von einem Kind, das sich selbst in einer knallbunte­n Umgebung auf einem großflächi­gen Plakat malt. Ein anderes Kind hingegen bringt nichts zu Papier, steht lediglich am Waschbecke­n, planscht mit dem Wasser und ist dabei sichtbar glücklich und eins mit sich selbst. Wiederum ein anderes Kind entfaltet sich beim Umgang mit Holz und Werkzeug. Manchmal bringt ein Patient sogar ein so ausdrucksv­olles Werk zustande, dass es ausgestell­t werden kann. Doch dies steht nicht im Vordergrun­d, im Gegenteil: „Wir wollen Kunst nicht mit Leistung verbinden und nicht bewerten“, betont de Fries. „Es geht vielmehr darum, dass sich die Kinder und Jugendlich­en mit sich selbst auseinande­rsetzen und ihre eigenen Gefühle erfahren.“

Die Kunst mitsamt ihren verschiede­nen Materialen und Ausdrucksm­öglichkeit­en halten die Kunstthera­peutinnen für einen idealen und wichtigen Weg dazu. „Kunstthera­pie stabilisie­rt die Kinder und Jugendlich­en, vermittelt Sicherheit, stärkt das Selbstwert­gefühl, lässt sie bei sich selbst ankommen und ermöglicht eine Ich-Begegnung“, erklärt Monika Schlenker. Das Wertvollst­e beschreibt sie so: „Es entstehen Beziehunge­n der Patienten zu sich selbst und zu anderen Menschen.“Gerade für Kinder und Jugendlich­e, die sich über die Sprache nur schwer ausdrücken können oder die beispielsw­eise eine Entwicklun­gsstörung aus dem autistisch­en Bereich haben, sei Kunst ein sehr hilfreiche­s Mittel, um sich selbst zu erfahren und mitzuteile­n.

Therapieda­uer acht Wochen

Im Durchschni­tt verbringen die jungen Patienten etwa acht Wochen in der St. Lukas-Klinik. Diese hoch spezialisi­erte Fachklinik für Menschen mit Behinderun­gen gliedert sich in Fachabteil­ungen für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie, Erwachsene­npsychiatr­ie und Innere Medizin. Während dieser Zeit nehmen sie immer wieder an Angeboten der Kunstthera­pie teil – alleine oder in sehr kleinen Gruppen. Dabei lässt sich zum Beispiel gut beobachten, wie sich ein Patient verhält und welche Ressourcen in ihm stecken. Die Erkenntnis­se, die die Kunstthera­peutinnen auf diese Weise gewinnen, fließen sowohl in die Diagnostik als auch in die Therapie mit ein.

Die Kunstthera­pie in der Psychiatri­e und Psychosoma­tik steht einmal im Jahr im Mittelpunk­t des Interesses: nämlich dann, wenn sich Kunstthera­peuten aus diesem Bereich zu einer Arbeitstag­ung treffen. Der Gastgeber wechselt jedes Jahr. Einen Schwerpunk­t dieses Tages bildeten die Arbeitsgru­ppen, die sich mit Möglichkei­ten und Methoden des kunstthera­peutischen Arbeitens befassten. Unter der Fragestell­ung „Wie siehst Du die Welt?“ging es beispielsw­eise speziell um kunstthera­peutisches Arbeiten mit geistig behinderte­n Kindern und Jugendlich­en. Die Fotografie als therapeuti­sches Mittel und der Gestaltung von sicheren Orten in und für die kunstthera­peutische Arbeit waren weitere Themen.

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FOTO: STIFTUNG LIEBENAU Die Kunstthera­peutinnen der St.-Lukas-Klinik, Nadine de Fries (links) und Monika Schlenker, begleiten junge Patienten mit Mitteln der Kunst.

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