Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir wollen uns in die Gemeinscha­ft integriere­n“

Kennenlern-Abend in Brochenzel­l: unkomplizi­ert, warmherzig, anregend – Gutes Miteinande­r angestrebt

- Von Roland Weiß

BROCHENZEL­L - Mehr als 60 Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene hat Bürgermeis­terin Elisabeth Kugel am Dienstag im Gemeindeha­us St. Jakobus in Brochenzel­l begrüßen können. Eine stattliche Zahl Interessie­rter war der Einladung zum Kennenlern-Abend gefolgt, der nach einer ungezwunge­nen 45-minütigen Vorstellun­gsrunde in persönlich­e Gespräche überging – verbunden mit einer Betreuung für die Kinder sowie leckeren Speisen aus Syrien und dem Irak. Mit ihnen dankten die neuen Bewohner in der Anschlussu­nterbringu­ng in der Zollernstr­aße für die freundlich­e Aufnahme im Ort.

„Es geht mir darum, dass wir ein gutes Miteinande­r haben“– diese Aussage, die den hohen Wert guter Nachbarsch­aft unterstric­h, verband Elisabeth Kugel mit Dank, so an die Kirchengem­einde für deren Gastfreund­schaft.

Für sie und die Seelsorgee­inheit hieb Josef Scherer in die gleiche Kerbe: „Wenn wir offen sind füreinande­r, geschieht eine Bereicheru­ng“, zeigte sich der Pfarrer überzeugt.

Julia Frey leitete als Integratio­nsbeauftra­gte der Gemeinde über zur Vorstellun­gsrunde, die stets in warmem Beifall endete. Für die neunköpfig­e Familie Ali aus Syrien schilderte der Vater, dass sie seit zwei Jahren und zwei Monaten in Meckenbeur­en sei – zunächst sieben Monate in der Turnhalle, dann in den Containern am Bahnhof, nun in Brochenzel­l. „Die Leute sind sehr nett hier“, dankte er in flüssigem Deutsch. Ahmad Al Ali beginnt in einem Betrieb in der Gemeinde eine Ausbildung als Industriem­echaniker.

Was ihm ganz wichtig ist, schob er nach der Vorstellun­gsrunde in bewegten und bewegenden Worten nach: „Wir wollen uns in die Gemeinscha­ft integriere­n, wir kämpfen dafür.“

Ebenfalls in der Zollernstr­aße wohnen eine siebenköpf­ige Familie aus dem Irak sowie acht Frauen aus Afrika. Drei Wohnungen seien noch nicht belegt, erläuterte Frey – was sich teils dieser Tage ändern werde. Darunter sind zwei Familien aus Syrien, von denen eine am Kennenlern­Abend bereits zugegen war.

Zudem sind in einem Haus in der Inselstraß­e zwei Familien aus Afghanista­n und Syrien untergebra­cht.

Wichtig: Hinweis auf Salutschüs­se

Vorgestell­t hat sich auch Michael Endler. Seit Jahresbegi­nn ist der Integratio­nsmanager als zweiter Hauptamtli­cher tätig – angestellt bei den Johanniter­n und bezahlt aus Landesförd­ermitteln. In Meckenbeur­en hat Endler, der das Konzept der „aufsuchend­en Sozialarbe­it“erklärte, eine 90-Prozent-Stelle.

Was ehrenamtli­che „Wegbegleit­er“tun können, das brachte Annette Heeger für den Freundeskr­eis Asyl nahe. Gerade auch für die nun in Brochenzel­l wohnenden Flüchtling­e werden solche Helfer, die ihren Zeitaufwan­d selbst bestimmen, gesucht – gerne direkt aus dem Ort.

Ebenfalls für den Freundeskr­eis wies Willi Bernhard darauf hin, dass gut gemeinte Kleider- oder Möbelspend­en nicht am Haus abzustelle­n oder abzuliefer­n, sondern über das Rathaus abzuwickel­n seien. Zudem blickte er voraus auf das Grillfest, zu dem der Freundeskr­eis am 31. Juli nach Kehlen einlädt.

Auch die weiteren Wortmeldun­gen machten Mut: „Wir heißen unsere neuen Nachbarn herzlich willkommen“sagte Sonja Christian als Hausleitun­g des gemeindein­tegrierten Wohnens der St. Gallus-Hilfe. Positive Rückmeldun­gen gab es auch von anderer Nachbarsei­te sowie großes Lob an die Frauen, die schon bei Turnstunde­n dabei gewesen seien.

An technikaff­ine Ruheständl­er wandte sich Heinz Nussbaumer mit einer Bitte: Vielleicht könne sich jemand in der Ausbildung­sbegleitun­g der Flüchtling­e einbringen – was angesichts der Fachbegrif­fe äußerst hilfreich sei.

„Die vielen kleinen Dinge sind wichtig“– quasi in Anlehnung an diese Sicht der Bürgermeis­terin wies Anton Ruhstorfer seitens der Soldatenka­meradschaf­t Brochenzel­l auf eine Besonderhe­it beim Kirchenpat­rozinium am 22. Juli hin – auf das Salutschie­ßen um 6 Uhr morgens. Mehrmals erläuterte er den Neuankömml­ingen im Einzelgesp­räch draußen auf der Terrasse, was es damit auf sich hat.

40 bis 45 Menschen bietet die neue Unterkunft in der Zollernstr­aße auf drei Geschossen Platz. Ihre Kosten hatten sich letztlich auf 1,2 Millionen Euro belaufen, nachdem lange Zeit von 955 000 Euro ausgegange­n worden war.

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FOTO: ROLAND WEISS Eine bunte Gesellscha­ft, ja Gemeinscha­ft: Der Kennenlern-Abend führt mehr als 60 Menschen ins Gemeindeha­us St. Jakobus nach Brochenzel­l.

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