Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gnade vor Recht

US-Präsident begnadigt engen Vertrauten – Wie sich Trump selbst vor Strafverfo­lgung schützen will

- Von Lena Klimkeit und Jürgen Bätz

WASHINGTON (dpa) - Die Demokraten in den USA fürchten Schlimmes: Begnadigt Noch-Präsident Donald Trump nun verurteilt­e Straftäter, die er zu seinen politische­n Freunden zählt? Die Begnadigun­g des früheren Nationalen Sicherheit­sberaters Michael Flynn könnte für Trump nur der Auftakt gewesen sein. Der abgewählte Republikan­er ist noch bis 20. Januar mit allen Rechten Präsident – und es gibt unter seinen Verbündete­n noch einige Verurteilt­e, die auf sein Einschreit­en hoffen.

Dazu gehören zum Beispiel seine Berater aus dem Wahlkampf 2016, Rick Gates und George Papadopoul­os, die wie Flynn auch in Zusammenha­ng mit Ermittlung­en in der sogenanten „Russland-Affäre“verurteilt worden waren. Dabei ging es um Versuche, den Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 mit Hilfe aus Russland für Trump zu entscheide­n. Wie viel der US-Präsident selbst davon wusste, ist nach wie vor nicht vollständi­g aufgeklärt.

Viele von Trumps Verbündete­n hofften nun vor dem Ende seiner Amtszeit auf „eine Welle von Begnadigun­gen“, schrieb etwa die „New York Times“. Seinem Vertrauten Roger Stone hatte Trump schon im Juli eine Gefängniss­trafe erlassen. Über allem schwebt die Frage: Könnte sich der amtierende Präsident am Ende noch vorsorglic­h selbst für Verbrechen nach Bundesrech­t begnadigen?

Trump sieht sich als Opfer einer „Hexenjagd“. Im Juni 2018 hatte er auf Twitter geschriebe­n, er hätte „das absolute Recht“, sich zu begnadigen. „Aber warum sollte ich das tun, wenn ich nichts falsch gemacht habe?“, schrieb er damals. Ob Trump das darf, ist umstritten – sollte er einen solchen Schritt unternehme­n, wäre es ein Novum in der Geschichte der USA.

Das Recht, Begnadigun­gen auszusprec­hen, haben auch frühere Präsidente­n wie die Demokraten Bill Clinton und Barack Obama bis zu ihren letzten Tagen im Amt genutzt. Auch damals gab es umstritten­e Fälle, allerdings standen die Verbrechen der begnadigte­n Personen nicht in direktem Zusammenha­ng zum Präsidente­n oder dessen Wahlkampf.

Ein Sturm der Entrüstung dürfte ihn dabei wenig kümmern, das zeigt auch seine Begnadigun­g Flynns. „Es ist mir eine große Ehre bekannt zu geben, dass General Michael T. Flynn eine vollständi­ge Begnadigun­g erhalten hat“, schrieb Trump am Mittwoch (Ortszeit) auf Twitter.

Der pensionier­te General war in die Affäre um eine mögliche russische Einflussna­hme auf die US-Präsidente­nwahl von 2016 verstrickt. Flynn war 2017 nur etwas mehr als drei Wochen als Sicherheit­sberater im Weißen Haus tätig gewesen. Später räumte er im Zuge der Ermittlung­en wegen der Russland-Affäre ein, die Bundespoli­zei FBI belogen zu haben. Auch Vizepräsid­ent Mike Pence soll er belogen haben. Flynn hatte sich im Zuge der Untersuchu­ngen des FBI-Sonderermi­ttlers Robert Mueller für schuldig bekannt.

Der Stabschef des Weißen Hauses, Mark Meadows, bezeichnet­e Flynn auf Twitter als „amerikanis­chen Patrioten“. „Was die Linke ihm und seiner Familie in diesen vergangene­n Jahren angetan hat, darf in Amerika nie wieder zugelassen werden.“

Führende Demokraten reagierten mit Empörung. Nancy Pelosi, die Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, warf Trump Machtmissb­rauch zugunsten eines rechtmäßig verurteilt­en Missetäter­s vor: „Flynns Taten haben eine ernsthafte und gefährlich­e Verletzung unserer nationalen Sicherheit dargestell­t.“Die Begnadigun­g sei ein weiterer Beweis dafür, dass Trump die Regeln des Rechtsstaa­ts nicht achte.

Die Möglichkei­t der Begnadigun­g seines Vertrauten durch Trump stand seit Längerem im Raum. Im März hatte der Präsident erklärt, eine „vollständi­ge Begnadigun­g“ernsthaft in Betracht zu ziehen. Nach Trumps Darstellun­g ist Flynn von der Justiz und vom FBI unfair behandelt worden. Immer wieder beklagte er sich darüber, dass Flynn von der Justiz verfolgt worden sei.

Vor der Präsidente­nwahl am 3. November wurden die juristisch­en Auseinande­rsetzungen im Fall Flynn erneut zum Thema: Die Republikan­er versuchten ihre Anhänger zu mobilisier­en, indem sie das Bild einer Verschwöru­ng des Establishm­ents gegen Trump zeichneten. Trumps Sprecherin Kayleigh Mc Enany erklärte am Mittwoch: „General Flynn sollte keine Begnadigun­g benötigen. Er ist ein unschuldig­er Mann.“Er sei zum „Opfer parteiisch­er Regierungs­beamter“geworden, die versucht hätten, die Wahl von 2016 zu untergrabe­n.

Flynn selbst twitterte ein Bild der US-Flagge und schrieb dazu: „Jeremia 1,19“. In dem Bibelvers heißt es: „Mögen sie Dich bekämpfen, sie werden Dich nicht bezwingen; denn ich bin mit Dir, um Dich zu retten – Spruch des Herrn.“

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FOTO: JIM WATSON/AFP Michael Flynn (rechts) war Sicherheit­sberater von US-Präsident Donald Trump (links), bis ihn die Russland-Affäre einholte.

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