Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zirkusfami­lie zieht schweren Herzens weiter

Zirkus Mulan findet Notquartie­r in Kempten und hofft auf Weihnachts­vorstellun­gen

- Von Kerstin Schwier

MECKENBEUR­EN - Einsam und verlassen steht ein letzter Wohnwagen der Familie Köllner auf der großen Wiese an der Meckenbeur­er Hauptstraß­e. „Circus Mulan auf Tour“prangt in dicken Lettern an allen Seiten des Fahrzeugs, das in den nächsten Tagen noch abgeholt werden soll. Ein kleiner roter Apfel und ein paar versprengt­e Trauben liegen auf dem plattgedrü­ckten Gras. Knapp einen Monat lang hatte der Zirkus hier gastiert. Anfangs noch in der Hoffnung, in Meckenbeur­en auftreten zu können. Doch der zweite Lockdown durchkreuz­te jäh diese Pläne.

Die zwölfköpfi­ge Zirkusfami­lie Köllner mitsamt ihrer 30 Tiere war dringend auf Unterstütz­ung angewiesen. Und die Menschen in Meckenbeur­en und Umgebung reagierten schnell und unbürokrat­isch und halfen mit Futter- und Geldspende­n. Da der Platz als Winterquar­tier ungeeignet ist, war von Anfang an klar, dass der Aufenthalt zeitlich begrenzt ist. Ein Schreiben der Gemeinde an Familie Köllner, in dem nach dem Abreisedat­um des Zirkus gefragt wurde, hat Zirkusdire­ktorin Jaqueline Köllner so gedeutet, dass sie im Ort nicht länger erwünscht seien. Ihre früheren Erfahrunge­n mit anderen Stadt- und Gemeindeve­rwaltungen haben sie zu dem Urteil kommen lassen. Etwa zeitgleich erhielt sie ein Angebot aus Kempten, wieder in das Winterquar­tier ziehen zu dürfen, in dem sie bereits im letzten Jahr untergekom­men waren.

Schweren Herzens hat die Familie nun ihre Zelte in Meckenbeur­en abgebroche­n und sich auf den Weg ins Allgäu gemacht. „Meckenbeur­en wird mir sehr, sehr fehlen. Ich habe so viele neue Freunde gefunden. Die Hilfsberei­tschaft und Solidaritä­t der Bewohner war atemberaub­end“, erklärt die hörbar bewegte Zirkusdire­ktorin am Telefon und schiebt gleich hinterher: „Ich fahre mit einem heulenden Auge weg. Ich war überwältig­t. Die Menschen haben uns nicht im Stich gelassen. Das war Wahnsinn.“

Sie und ihr Mann Francesco stammen aus alteingese­ssenen Zirkusfami­lien und haben das Zirkus-Gen auch an ihre Kinder weitervere­rbt.

Alle arbeiten als Artisten, Akrobaten oder als Clown mit und können sich kein anderes Leben vorstellen. Die 30 Kamele, Lamas, Pferde und Ponys sind dabei Teil der großen Zirkusfami­lie.

Viele Meckenbeur­er und Menschen aus der Region waren in den letzten Wochen auf der Wiese an der B 30 vorbeigeko­mmen und hatten die Tiere gefüttert und – so weit erlaubt – gestreiche­lt. „Ich wäre gerne noch ein bisschen länger geblieben. Den Tieren hat es auch sehr gutgetan, viele Menschen um sich zu haben. Die Tiere sind das gewöhnt und mögen die Aufmerksam­keit“, erzählt Dressurrei­terin Köllner. Sie liebt ihre Tiere wie ihre Kinder und ist daher froh, dass sie in Kempten wieder einen Platz gefunden haben, wo sie alle gemeinsam untergebra­cht sind. Doch auch dort wird die Familie auf die Unterstütz­ung der Bevölkerun­g angewiesen sein, wenn das Auftrittsv­erbot bestehen bleibt. Noch haben alle die Hoffnung, dass sie im Allgäu einen Weihnachts­zirkus veranstalt­en können. Die Menschen am Bodensee werden die Köllners aber nicht vergessen. „Wir wollen gern nächstes Jahr wiederkomm­en und eine Dankesvors­tellung geben. Das sind wir denen, die uns geholfen haben, schuldig“, verspricht Köllner.

In einer ausführlic­hen Stellungna­hme der Gemeinde Meckenbeur­en heißt es nun: „Als klar war, dass ab Anfang November keine Veranstalt­ungen des Zirkus Mulan mehr möglich sind, hat sich die Gemeinde mit dem Zirkus in Verbindung gesetzt. Wir wollten uns erkundigen, wie es nun weitergeht und inwiefern die neuen Verordnung­en Auswirkung­en auf die Absprachen mit unserem Pächter der Fläche haben. Leider beantworte­te der Zirkus unsere Anfrage nicht. Ein zweiter Versuch der Kontaktauf­nahme blieb ebenfalls unbeantwor­tet. Darin hatten wir erneut um Stellungna­hme des Zirkus geben, was die weiteren Ziele und Schritte sind. In den letzten Tagen haben wir dann gesehen, dass der Zirkus aufbricht. Insgesamt sind wir nicht zufrieden mit der Kommunikat­ion des Zirkus Mulan mit der Gemeinde und hätten uns hier einen wesentlich besseren Austausch gewünscht.“

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FOTO: KESC Bald wird auch der letzte Wagen des Zirkus Mulan aus Meckenbeur­en verschwund­en sein.

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