Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zirkusfamilie zieht schweren Herzens weiter
Zirkus Mulan findet Notquartier in Kempten und hofft auf Weihnachtsvorstellungen
MECKENBEUREN - Einsam und verlassen steht ein letzter Wohnwagen der Familie Köllner auf der großen Wiese an der Meckenbeurer Hauptstraße. „Circus Mulan auf Tour“prangt in dicken Lettern an allen Seiten des Fahrzeugs, das in den nächsten Tagen noch abgeholt werden soll. Ein kleiner roter Apfel und ein paar versprengte Trauben liegen auf dem plattgedrückten Gras. Knapp einen Monat lang hatte der Zirkus hier gastiert. Anfangs noch in der Hoffnung, in Meckenbeuren auftreten zu können. Doch der zweite Lockdown durchkreuzte jäh diese Pläne.
Die zwölfköpfige Zirkusfamilie Köllner mitsamt ihrer 30 Tiere war dringend auf Unterstützung angewiesen. Und die Menschen in Meckenbeuren und Umgebung reagierten schnell und unbürokratisch und halfen mit Futter- und Geldspenden. Da der Platz als Winterquartier ungeeignet ist, war von Anfang an klar, dass der Aufenthalt zeitlich begrenzt ist. Ein Schreiben der Gemeinde an Familie Köllner, in dem nach dem Abreisedatum des Zirkus gefragt wurde, hat Zirkusdirektorin Jaqueline Köllner so gedeutet, dass sie im Ort nicht länger erwünscht seien. Ihre früheren Erfahrungen mit anderen Stadt- und Gemeindeverwaltungen haben sie zu dem Urteil kommen lassen. Etwa zeitgleich erhielt sie ein Angebot aus Kempten, wieder in das Winterquartier ziehen zu dürfen, in dem sie bereits im letzten Jahr untergekommen waren.
Schweren Herzens hat die Familie nun ihre Zelte in Meckenbeuren abgebrochen und sich auf den Weg ins Allgäu gemacht. „Meckenbeuren wird mir sehr, sehr fehlen. Ich habe so viele neue Freunde gefunden. Die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Bewohner war atemberaubend“, erklärt die hörbar bewegte Zirkusdirektorin am Telefon und schiebt gleich hinterher: „Ich fahre mit einem heulenden Auge weg. Ich war überwältigt. Die Menschen haben uns nicht im Stich gelassen. Das war Wahnsinn.“
Sie und ihr Mann Francesco stammen aus alteingesessenen Zirkusfamilien und haben das Zirkus-Gen auch an ihre Kinder weitervererbt.
Alle arbeiten als Artisten, Akrobaten oder als Clown mit und können sich kein anderes Leben vorstellen. Die 30 Kamele, Lamas, Pferde und Ponys sind dabei Teil der großen Zirkusfamilie.
Viele Meckenbeurer und Menschen aus der Region waren in den letzten Wochen auf der Wiese an der B 30 vorbeigekommen und hatten die Tiere gefüttert und – so weit erlaubt – gestreichelt. „Ich wäre gerne noch ein bisschen länger geblieben. Den Tieren hat es auch sehr gutgetan, viele Menschen um sich zu haben. Die Tiere sind das gewöhnt und mögen die Aufmerksamkeit“, erzählt Dressurreiterin Köllner. Sie liebt ihre Tiere wie ihre Kinder und ist daher froh, dass sie in Kempten wieder einen Platz gefunden haben, wo sie alle gemeinsam untergebracht sind. Doch auch dort wird die Familie auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sein, wenn das Auftrittsverbot bestehen bleibt. Noch haben alle die Hoffnung, dass sie im Allgäu einen Weihnachtszirkus veranstalten können. Die Menschen am Bodensee werden die Köllners aber nicht vergessen. „Wir wollen gern nächstes Jahr wiederkommen und eine Dankesvorstellung geben. Das sind wir denen, die uns geholfen haben, schuldig“, verspricht Köllner.
In einer ausführlichen Stellungnahme der Gemeinde Meckenbeuren heißt es nun: „Als klar war, dass ab Anfang November keine Veranstaltungen des Zirkus Mulan mehr möglich sind, hat sich die Gemeinde mit dem Zirkus in Verbindung gesetzt. Wir wollten uns erkundigen, wie es nun weitergeht und inwiefern die neuen Verordnungen Auswirkungen auf die Absprachen mit unserem Pächter der Fläche haben. Leider beantwortete der Zirkus unsere Anfrage nicht. Ein zweiter Versuch der Kontaktaufnahme blieb ebenfalls unbeantwortet. Darin hatten wir erneut um Stellungnahme des Zirkus geben, was die weiteren Ziele und Schritte sind. In den letzten Tagen haben wir dann gesehen, dass der Zirkus aufbricht. Insgesamt sind wir nicht zufrieden mit der Kommunikation des Zirkus Mulan mit der Gemeinde und hätten uns hier einen wesentlich besseren Austausch gewünscht.“