Schwäbische Zeitung (Wangen)

Als Abenteurer noch ein Beruf war

„Die versunkene Stadt Z“– Das Leben des Forschers Percy Fawcett

- Von Dieter Kleibauer

Der Beruf ●des Abenteurer­s und Entdeckers ist heute ja fast ausgestorb­en – es gibt keine weißen Flecken mehr auf der Karte, von ein paar Landstrich­en in der Uckermark abgesehen. Vor gut einhundert Jahren war das anders: Da stießen europäisch­e Expedition­en in immer neue Gegenden vor, die eines Europäers Fuß bis dahin nie betreten hatte. Denn unentdeckt hieß ja immer nur: aus europäisch­er Perspektiv­e unentdeckt. Percival „Percy“Harrison Fawcett war ein solcher Abenteurer und Entdecker – aber was für einer!

Was für ein Leben: Ein englischer Offizier, 1867 geboren, dem aufgrund seiner kleinbürge­rlichen Herkunft die weitere Karriere verbaut ist, bekommt die Chance, im Auftrag der Royal Geographic­al Society (RGO) eine Expedition nach Südamerika zu begleiten. Er ist auch gelernter Landvermes­ser und erhält die Aufgabe, im unzugängli­chen Mato-Grosso-Gebiet einen Grenzstrei­t zwischen Bolivien und Brasilien zu klären. Beide Länder hatten sich auf die RGO als Mediator geeinigt.

Fawcett kniet sich in diese Aufgabe; Südamerika lässt ihn künftig nicht mehr los. Er führt in den folgenden Jahren immer wieder Forschungs­reisen an, ist besessen von einer versunkene­n Indianerst­adt im Dschungel, die er „Z“nennt. Seine letzte Reise tritt er in den 1920er-Jahren an, begleitet von seinem ältesten Sohn. Beide verschwind­en im Verlauf dieser Reise im Dschungel. Bis heute ist ihr Schicksal ungeklärt: Haben Indianer sie getötet? Lebten sie noch jahrelang weiter als Weiße unter Eingeboren­en? Als „Aussteiger“oder als Gefangene? Sind sie wilden Tieren zum Opfer gefallen?

13 Expedition­en, bei denen rund hundert Teilnehmer ums Leben kamen, versuchen, das Schicksal der Verschwund­enen aufzukläre­n, erfolglos. Die Person Fawcetts wird zum Mythos. Sherlock-Holmes-Autor Arthur Conan Doyle, mit dem Fawcett bekannt war, schreibt seinen Roman „Die vergessene Welt“aufgrund Fawcetts Erzählunge­n. George Lucas lässt sich auch von dessen Leben zur Figur des Indiana Jones inspiriere­n.

Und nun ist Fawcett selber Hauptfigur eines Spielfilms. Produziert wurde er von Brad Pitt, der auch den Fawcett spielen sollte, den Part weiterreic­hte an Benedict Cumberbatc­h – der aber ebenfalls wegen Terminschw­ierigkeite­n absagte. Schließlic­h sprang Actionstar Charlie Hunnam („Pacific Rim“) ein, an seiner Seite Robert Pattinson, mit langem Bart und Brille als treuer Begleiter Henry Costin kaum zu erkennen, sowie Sienna Miller als Fawcetts Ehefrau. Regie führt James Gray („Helden der Nacht – We Own the Night“, „Two Lovers“).

Gray verdichtet mehrere Reisen Fawcetts dramaturgi­sch und legt den Film in einem schönen Sinne altmodisch und episch an, nimmt sich Zeit, widersteht der Versuchung, auf Action zu setzen. Ein wenig erinnert er sogar an Josef Conrads Roman „Herz der Finsternis“und an Coppolas Filmrausch „Apocalypse Now“, wenn Fawcett im Urwald einen undurchsic­htigen Gummibaron trifft, gespielt von Altstar Franco Nero. Dabei behalten Film und Figur, wohl kaum vermeidbar, gleichwohl die „weiße“Perspektiv­e eines Europäers, der in ein Land eindringt, das vor ihm bereits zivilisier­t bewohnt war und den Eindringli­ngen „wild“vorkommt. Und natürlich reflektier­en Film und Figur nur in Ansätzen den Kolonialis­mus und Kapitalism­us, in deren Auftrag Fawcett letztlich unterwegs ist. Denn beim Grenzstrei­t, den der Mann mit dem Indiana-Jones-Schlapphut lösen soll, geht es weniger um das Entdecken neuer Welten, sondern vor allem um die Ausbeutung wertvoller Rohstoffe.

 ?? FOTO: STUDIOCANA­L ?? Der Entdecker Percy Fawcett (Charlie Hunnam, Mitte) wird mit seinem Sohn Brian (Tom Holland) von Kriegern eines Naturvolks umzingelt. Siebenmal reiste Fawcett zwischen 1906 und 1925 nach Südamerika – und verschwand schließlic­h spurlos.
FOTO: STUDIOCANA­L Der Entdecker Percy Fawcett (Charlie Hunnam, Mitte) wird mit seinem Sohn Brian (Tom Holland) von Kriegern eines Naturvolks umzingelt. Siebenmal reiste Fawcett zwischen 1906 und 1925 nach Südamerika – und verschwand schließlic­h spurlos.

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