N. bittet Mitarbeiter um Verzeihung
Ex-Geschäftsführer übt Kritik am Zustand des Kurbetriebs: „In Behördenstruktur gefangen“
BAD WURZACH (sl) - Weitere Zeugen will Richter Peter Pahnke vom Amtsgericht Wangen in der Verhandlung gegen den Bad Wurzacher Ex-Kurgeschäftsführer Michael N. (die SZ berichtete) hören.
Am ersten Verhandlungstag wurden zwei Zeugen, die zwar nicht geladen, aber anwesend waren, befragt. Von ihnen wollte das Gericht erfahren, ob N. in seiner Amtszeit objektive fachliche Fehler unterlaufen sind. Eine Ärztin der städtischen Kurbetriebe, die N. falsche Angaben im Lebenslauf mitaufgedeckt hatte, sprach davon, dass sie „den Eindruck“hatte, dass der Geschäftsführer keine fachliche Kompetenz habe. Konkrete Beispiele von Fehlentscheidungen konnte sie nicht nennen.
Seine Pläne zur Umstrukturierung seien aber „wischi-waschi“gewesen, die Investitionen in das damals geplante neue Standbein Psychosomatik seien nicht nur ihrer Ansicht nach „ins Blaue hinein“geplant gewesen. „Das klang alles sehr dilettantisch.“Zudem beklagte sie eine mangelnde bis nicht existierende Kommunikation zwischen N. und der Ärzteschaft.
Der Personalratsvorsitzende der städtischen Kurbetriebe berichtete dem Gericht davon, dass N. in zwei Fällen bei Kündigungen nicht mit dem Personalrat gesprochen habe. Darauf sei er auch hingewiesen worden. Konsequenzen, zum Beispiel arbeitsgerichtlich, hätte die Entlassungen aber nicht gehabt. Ein Kriminalhauptkommissar aus Friedrichshafen kam ebenfalls in den Zeugenstand. Der ermittlungsführende Beamte berichtete von der Suche nach N. und von Befragungen Beteiligter. N. selbst brachte in seiner Erklärung „meine Entschuldigung und mein Bedauern“zum Ausdruck. Während seiner nunmehr viermonatigen Untersuchungshaft sei ihm bewusst geworden, „was ich veranstaltet habe“. An „enge Freunde, Verwandte und Mitarbeiter des Kurbetriebs“gewandt, sagte er: „Es tut mir leid.“
In seinen Einlassungen übte er gleichwohl immer wieder Kritik am Zustand des Kurbetriebs in Bad Wurzach. Das für 2017 mit 900 000 Euro geplante Defizit bezeichnete er als „Katastrophe bei dem Umsatz“. Die Klinik sei „nicht konkurrenzfähig“. Eine weitere Einschätzung zu Beginn seiner Amtszeit im Herbst 2015: „Der Kontakt zum Personalrat lag brach.“Er selbst habe indes „ein gutes Verhältnis zur Mitarbeitervertretung“aufgebaut. Insgesamt habe er damals eine Liste mit 29 gravierenden Mängeln aufgestellt. Eine nannte er noch beispielhaft: „Der Kurbetrieb ist total in der Behördenstruktur gefangen“, sagte er bezogen auf das Personal, für das es keine Zuschläge für Wochenend-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gebe. So seien auch keine neuen Fachkräfte zu gewinnen.
Den Antrag von Verteidiger Jens Bühner aus Köln, die seit Anfang Dezember währende U-Haft für N. auszusetzen und ihm so die Möglichkeit zu geben, sich in Köln bei seinem Hausarzt wegen seiner Herzprobleme behandeln zu lassen, lehnten Staatsanwalt („Ich sehe weiterhin eine erhebliche Fluchtgefahr“) und Gericht („kein Anlass“) ab. Der 60Jährige hat nach eigener Aussage drei Bypässe, die durch Stents stabilisiert werden müssen. Ein Stent sei ihm im Herbst 2016 bereits eingesetzt worden, zwei weitere müssten folgen.