Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Zeit nach dem Schulz-Hype

Strategied­ebatte der SPD Baden-Württember­g – Breymaier kämpferisc­h

- Von Bettina Grachtrup

FILDERSTAD­T (lsw) - Dieses Mal ist Martin Schulz nur als Pappkamera­d zu Gast. Vor der Halle steht der SPDKanzler­kandidat in Lebensgröß­e vor einem Schild mit dem Schriftzug: „Herzlich willkommen, liebes Neumitglie­d.“Rund eine Woche nach dem Desaster für die Sozialdemo­kraten bei der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen kamen die Genossen aus den süddeutsch­en Bundesländ­ern am Samstag in Filderstad­t (Landkreis Esslingen) zur Strategied­ebatte zusammen. Die Stimmung ist weder euphorisch noch depressiv, sondern eher gedämpft angesichts der gesunkenen Umfragewer­te des Kanzlerkan­didaten.

Bundesgene­ralsekretä­rin Katarina Barley und Landeschef­in Leni Breymaier geben sich alle Mühe, Optimismus zu versprühen. „Wir werden Schweiß und Tränen vergießen. Wir werden kämpfen und werden uns einsetzen“, sagt die Landesvors­itzende. Barley meint: „Ihr müsst euch drauf gefasst machen, dass es immer auf und ab geht.“Das mache die SPD aus. Und den Schulz-Hype habe die Partei selbst nie so genannt oder befördert. Barley spricht von einem „medialen Spin“, der dann schlagarti­g mit der Landtagswa­hl in Schleswig-Holstein vorbei war.

Momentaufn­ahmen

Als Beispiel dafür, dass Wahlen tatsächlic­h auf den letzten Metern entschiede­n werden können, sitzt Alexander Schweitzer auf dem Podium. Er ist Fraktionsc­hef der SPD im rheinland-pfälzische­n Landtag. In dem Nachbarlan­d haben die Sozialdemo­kraten die Landtagswa­hl 2016 gewonnen und ihre Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer im Amt halten können, obwohl in den Umfragen monatelang die CDU mit Konkurrent­in Julia Klöckner vorne lag. Der SPD-Sieg hatte viele Gründe. Doch eine Lehre, die Schweitzer aus dem Vorgang auch für die Bundeseben­e zieht, lautet: „Fürchtet euch nicht, und macht euch nicht verrückt. Umfragen sind Momentaufn­ahmen. Sie sagen nichts zum Wahlergebn­is.“

Viel Hoffnung setzt die SPD auf die rund 17 000 Neumitglie­der, die sie seit der Verkündung von Schulz Kanzlerkan­didatur im Januar in ganz Deutschlan­d verzeichne­t. Rund 80 von ihnen sind nach Filderstad­t gekommen. Barley möchte wissen, was sie bewegt, um „neuen Input“für die Arbeit in der Partei zu bekommen. Ein Mann sagt, beim Wort „kämpfen“im Zusammenha­ng mit Wahlen werde ihm übel. Ein junger Mann fragt, wie er mit den Menschen umgehen solle, die sich als Abgehängte der Gesellscha­ft empfänden und deshalb die rechtspopu­listische Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) wählten.

Gerade auch wegen der AfD ist Susanne Ennulath in die SPD eingetrete­n. Die 57-Jährige aus Stuttgart räumt ein, dass Rückschläg­e wie jetzt bei den Landtagswa­hlen für die SPD nicht schön seien. „Aber die Stimmung nach vorne ist positiv.“Frank Rieger (42) aus Dielheim (Rhein-Neckar-Kreis) meint: „Mal gewinnt man, mal verliert man. Das ist zwar ein dummer Spruch, aber es ist so.“Bis zur Bundestags­wahl am 24. September könne noch viel passieren. Bettina Kobylanski-Forsee aus Mannheim sagt, die verlorenen Landtagswa­hlen seien der Motivation in der Partei nicht abträglich.

Neu in der SPD ist auch Kerin Black. Die 39-Jährige kommt aus den USA und hat neben dem amerikanis­chen auch den deutschen Pass. Schon lange war sie aktiv bei den USDemokrat­en. Im deutschen Parteienge­füge sieht sie ihre Interessen am ehesten bei der SPD vertreten. Black sieht sich als Fan von Schulz. Mit Blick auf die Bundestags­wahl räumt sie ein: „Ich bin gerade nicht so optimistis­ch, wie ich gerne wäre.“Letztlich müsse man aber schauen, dass die Stimmung gut bleibe, um im September doch noch etwas zu bewegen.

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