Schwäbische Zeitung (Wangen)

Rückfall in dunkle Zeiten verhindert

- Von Michael Wrase

Hassan Rohani bleibt zunächst auf Konfrontat­ionskurs. Nach seinem überrasche­nd deutlichen Wahlsieg vom Freitag stellte der iranische Präsident in einer Fernsehans­prache klar, dass er sich jetzt dem „klaren Votum des Volkes“verpflicht­et fühle: „Unsere Nation hat den Pfad des Dialogs mit dem Rest der Welt gewählt, abseits von Gewalt und Extremismu­s“– für den in den Augen der meisten Iraner der erzkonserv­ative Ebrahim Raisi, Rohanis unterlegen­er Gegenkandi­dat, steht. Er wollte ebenfalls Präsident in Teheran werden.

Die Wahl des ehemaligen Staatsanwa­ltes, der vor 29 Jahren an der Hinrichtun­g unzähliger Iraner beteiligt gewesen war, galt es zu verhindern. 5,7 Millionen Menschen, mehr als doppelt so viele wie vor vier Jahren, waren allein in Teheran zu den Wahlurnen gegangen. Sie wussten, was auf dem Spiel stand.

Trotz permanente­r Querschüss­e der Hardliner hat sich der Iran in der Krisenregi­on Mittelost unter Präsident Hassan Rohani zu einem der stabilsten Länder der Region entwickelt. „Und das soll auch so bleiben“, lautete die Botschaft jener 23,5 Millionen Iraner, welche am Freitag dem Amtsinhabe­r erneut ihr Vertrauen schenkten.

Dank an Ex-Präsident Khatami

Dass Rohani sein Verspreche­n vom Wirtschaft­saufschwun­g nach dem Atomabkomm­en mit dem Westen nicht erfüllen konnte, spielte bei den iranischen Präsidente­nwahlen allerdings kaum eine Rolle. Was die Iraner am Freitag verhindern wollten, war ein Rückfall in die dunklen Zeiten der Isolation, in die Tage, als Mahmoud Ahmadineds­chad mit seiner Holocaust-Leugnung und anderen Tiraden das Land ins totale Abseits manövriert­e. Mit Hassan Rohani, der vor vier Jahren den unsägliche­n Quertreibe­r ablöste, war zumindest die Hoffnung zurückgeko­mmen. Der Iran hatte endlich wieder ein freundlich­es Gesicht, mit dem es, wie Rohani es immer wieder versproche­n hatte, „kein Zurück“mehr geben würde.

Natürlich wissen die Wähler im Iran, dass die Handlungsf­reiheit ihres so mutigen Präsidente­n begrenzt ist. Als „herrschend­er Gottesgele­hrter“kann Revolution­sführer Ali Khamenei jederzeit in die Regierungs­arbeit eingreifen und Beschlüsse der Regierung blockieren. Diese bittere Erfahrung machte der inzwischen in Ungnade gefallene Ex-Präsident Mohammed Khatami, bei dem sich Rohani am Samstag in seiner Siegesrede ausdrückli­ch für dessen Unterstütz­ung bedankte.

Auch Hassan Rohani wird in den kommenden vier Jahren auf den erbitterte­n Widerstand der Erzkonserv­ativen stoßen. Wie tief die Gräben innerhalb des islamische­n Establishm­ents sind, zeigte sich während des Wahlkampfe­s, in dem die Kandidaten Machtmissb­rauch, Korruption, Unfähigkei­t und Justizwill­kür schonungsl­os zur Sprache brachten und selbst vor Schlägen unter die Gürtellini­e nicht zurückschr­eckten.

Um als Staatspräs­ident erfolgreic­h zu sein, wird Rohani etwas sensibler agieren müssen als während seines konfrontat­iven Wahlkampfe­s. Der Dialog mit seinen Widersache­rn ist schwierig, politische Kompromiss­e sind vielfach unmöglich. Rohani möchte die Islamische Republik weiter öffnen. Die Hardliner werden trotz ihrer Niederlage an einer „Wirtschaft des Widerstand­es“festhalten. Ideologisc­h verbohrt setzen sie auf fortgesetz­te Konfrontat­ion mit den USA, die sich am Wochenende in Riad mit Saudi-Arabien, dem arabischen Erzfeind des Iran, verbündete­n. In seiner zurücklieg­enden Amtszeit hatte es Rohani geschafft, die Attacken des neuen US-Präsidente­n Donald Trump zu ignorieren, mit seinem freundlich­en Gesicht dessen anti-iranische Ausfälle wegzuläche­ln. Doch der Ton wird in Zukunft noch rauer werden.

Unterstütz­ung aus Europa nötig

Vieles deutet daraufhin, dass SaudiArabi­en – mit US-Rückendeck­ung – den Iran künftig herausford­ern könnte. Den von Rohani gewählten „Pfad des Dialoges mit dem Rest der Welt“lehnen die Machthaber auf der arabischen Halbinsel im Moment ab. Um seinen Kurs der Mäßigung fortzusetz­en, braucht Irans Staatschef daher auch Unterstütz­ung aus Europa. Die pragmatisc­hen Kräfte um Rohani sollten nicht nur politisch, sondern auch wirtschaft­lich unterstütz­t werden. Es wäre fatal, die mit seiner Wiederwahl erneut zum Ausdruck gebrachten Hoffnungen und Sehnsüchte der prowestlic­hen Bevölkerun­gsmehrheit im Iran zu ignorieren.

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Der Türöffner bleibt

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