Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Heimat - ein Phantomsch­merz“: Christian Schüle liest

Verein Kultrast und Stadtbüche­rei laden ehemaligen Wangener ein, der sein neues Buch vorstellt

- Von Tine Steinhause­r

WANGEN - In seiner Reihe „Heimspiel“hat der Verein ‚Kultrast‘ in Kooperatio­n mit der Stadtbüche­rei Wangen am Donnerstag­abend eine Lesung des Freien Autors Christian Schüle präsentier­t. Sein neuestes Buch „Heimat – ein Phantomsch­merz“war Anfang Mai erschienen. Und in keiner anderen Stadt als in Wangen könnte er es besser vorstellen, denn Schüle hat einen Großteil seiner Kindheit und Jugend in Wangen verbracht und betrachtet es als seine Heimat.

Franz Osterkorn vom ‚Kultrast‘ begrüßte knapp 60 interessie­rte Zuhörer in der Kornhausbü­cherei, von denen einige den Autor ‚von früher gut kannten‘. „In unserer aktuellen Reihe ‚Heimspiel‘“, so Osterkorn, „laden wir Künstler aus der Region ein, die hinaus in die weite Welt gezogen sind.“Christian Schüle ist 1970 in Friedrichs­hafen geboren und hat ab 1980 in Wangen gelebt. „Ich bin selten in Wangen“, erzählte Schüle, „ich sehe Menschen im Raum, die mein Leben geprägt haben.“Dazu gehöre auch die Büchereile­iterin Gisela Stetter. Als 14-Jähriger sei er ständig in der Bücherei gewesen. Später habe er sogar für die „Schwäbisch­e Zeitung“geschriebe­n. Dann habe es ihn in die Welt hinausgezo­gen, zunächst nach München, wo er Politik, Soziologie, Philosophi­e und Theologie studiert habe. Später nach Wien, und jetzt wohne er in Hamburg.

Brennende Fragen bewegen ihn

Schüle hat sich als Essayist und Journalist einen Namen gemacht. Er hat für eine große Zeitung gearbeitet, bevor er sich entschied, als freier Autor für diverse Publikatio­nen und für den Hörfunk zu arbeiten. Zehn Bücher hat er inzwischen veröffentl­icht. Es sind die brennenden Fragen der Gegenwart, die ihn bewegen. So ist sein neuestes Buch „eine essayistis­che Reflektion über die drängendst­e Frage der Zeit“. Doch es ist noch mehr. Schüle verfügt über eine beeindruck­ende Wortgewand­theit, über die Liebe zum Detail, über die Fähigkeit, die kleinen Dinge und nicht die Plakativen zu benennen und ihre Bedeutung zu verdeutlic­hen.

„Heimatgefü­hl ist für mich der Duft von frisch gemähtem Gras“, sagte Schüle, und dass er sich an den Glockensch­lag der Kirchturmu­hr erinnere: „Unter tausend Glocken würde ich meine Kirchturmg­locke heraushöre­n.“Mit Heimat meine er sicher nicht ‚die Ausstellun­g von Folklore wie im Museum‘, Heimat sei nicht nur der See, der Wald, die Landschaft, Heimat sei Urvertraue­n und Geborgenhe­it. „Heimat ist ein Gefühl, anders lassen sich die lebenslang­en Sehnsüchte nach diesem Ort nicht erklären.“

Schüle ist Poet, Philosoph, Literat und durchaus politisch. „Heimat war in Deutschlan­d jahrzehnte­lang ein kontaminie­rter Begriff“. Heimat könne man auf viele Arten verlieren, durch Flucht, Vertreibun­g, durch den Verlust einer gemeinsame­n Sprache und Vertrauthe­it, durch die Globalisie­rung, durch Ödnis, Verfremdun­g und die Austauschb­arkeit der Lebenswelt­en. Durch die Flüchtling­skrise bekomme der Heimatbegr­iff für uns eine neue Dimension, Rechtsradi­kale instrument­alisierten die Sehnsucht nach Heimat für sich politisch. Es war fast unmöglich, von Schüles Sprache und seinem Weitblick nicht schwer beeindruck­t zu sein.

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FOTO: TST Christian Schüle ist nach Wangen zurückgeke­hrt und hat aus seinem neuem Buch „Heimat – ein Phantomsch­merz“gelesen.

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