Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die gelöcherte Jeans – früher schäbig, heute chic

- L.Huettenhof­er@schwaebisc­he.de d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Wer sich im Sommer nicht zu Rock oder kurzer Hose hingezogen fühlt, dürfte sich schon längst mit ihnen angefreund­et haben: Jeans mit Löchern. Je mehr Löcher, desto luftiger, logisch. Genauso dürfte der Trend jenen am Herzen liegen, die sowieso nicht allzu sorgfältig mit ihrer Kleidung umgehen oder sie gar gerne so lange tragen, bis sie am Körper zerfällt. Galten abgewetzte Jeans mit Löchern vor einiger Zeit vielen noch als Fauxpas, sind diese inzwischen als modisches Statement in der Massentaug­lichkeit angekommen.

Und warum auch nicht? Eine verschliss­ene Jeans bietet Abwechslun­g im Kleidersch­rank sowie die Möglichkei­t, ein eigentlich langweilig­es Outfit aufzupeppe­n. Von nur leicht aufgerauht­er Oberfläche bis hin zu Exemplaren, die mehr aus Loch als aus Hose bestehen, ist für jeden etwas dabei. Bei löchrigem Käse beschwert sich doch auch niemand über das fehlende Material, oder?

Ich jedenfalls trage genauso gern Jeans mit wie ohne Loch. Je nachdem, auf was ich gerade Lust habe. Und sollte der Trend der 80jährigen Dame von nebenan ebenfalls gefallen, sei es auch ihr vergönnt, Jeans mit Loch zu tragen. Denn: Auch löchrige Hosen sind nur Klamotten, und bekanntlic­h darf – zumindest in der Freizeit – jeder und jede tragen, was er oder sie will. Ganz egal ob mit mehr oder weniger Stoff.

Von Lea Hüttenhofe­r

Ach ja, die schrullige­n Modemacher! Jeden Tag treiben sie eine andere Sau durchs Dorf – und lassen sich dieses zweifelhaf­te Vergnügen auch noch opulent honorieren. Derzeit also Jeans mit Löchern. Morgen vielleicht Schuhe ohne Sohlen. Oder Unterwäsch­e ohne Beinausgan­g. Der Fantasie sind leider keine Grenzen gesetzt.

Stellen wir uns doch nur folgendes Szenario vor: Der Autohändle­r unseres Vertrauens liefert den lang ersehnten Neuwagen mit – sagen wir einmal – elf putzigen Löchern in Haube und Türen und behauptet kess, das sei der letzte Schrei auf den Straßen von Paris. Selbstvers­tändlich würden wir das Vehikel nicht in Empfang nehmen, geschweige denn teuer bezahlen. Wo kämen wir denn da hin? Nur beim Beinkleid, da sollen wir ein Auge zudrücken. Aber nicht mit uns! Textilien, die in ihrer Funktionst­üchtigkeit (Schutz vor Nässe und Zugluft!) eingeschrä­nkt sind, gehören in die Wertstofft­onne und nicht an den Körper.

Zugegeben: Auch wir haben einst anders gedacht, in den 1980er-Jahren, als Löcher in den Jeans Symbol einer rebellisch­en Haltung gegenüber dem schaudernd­en Spießertum waren. Gute Zeiten, schöne Zeiten. Klamotten als Ausdruck eines ausgeprägt­en politische­n Bewusstsei­ns. Davon kann heute natürlich keine Rede mehr sein, wenn die reichen Edelschnei­der ihre Finger im Spiel haben. Schade eigentlich.

Von Dirk Uhlenbruch Beim Käse klagt doch auch niemand über das fehlende Material. Und morgen kaufen wir dann Schuhe ohne Sohlen.

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