Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kunst, die auf Sand baut

Tim Bengel aus Esslingen produziert im wahrsten Sinne des Wortes grobkörnig­e Bilder – Demnächst wird er in New York ausstellen

- Von Lena Müssigmann Videos von Tim Bengels Arbeit: www.timbengel.com/work

ESSLINGEN (lsw) - Tim Bengel lässt für ein Foto weißen Sand durch seine Hand auf die Tischplatt­e rieseln. „Fühlt sich voll schön an“, sagt er. Und grinst. Sein Kindheitst­raum, erfolgreic­her Künstler zu werden, erfüllt sich gerade. Sand in Bengels Händen. Diese Kombinatio­n führt zu großformat­igen Werken, die Porträts oder Architektu­r darstellen – und einen Galeristen in New York so begeistert haben, dass er den 25-jährigen Esslinger für eine Einzelauss­tellung im Herbst eingeladen hat.

Tim Bengel ist ein Selfmadema­n in der Kunstszene, wie es ihn vor zehn Jahren noch nicht hätte geben können. Er hat auf die sozialen Netzwerke gesetzt, um sich selbst bekannt zu machen. Ein Video, das sich im Netz verbreitet, brauche ein Überraschu­ngsmoment, sagt Bengel. Also hat er sich bei der Arbeit gefilmt und alles auf den Augenblick zulaufen lassen, in dem er das Bild vom überschüss­igen Sand befreit. Ein „Wow-Moment“, der größere Wirkung zeigte, als Bengel erwartet hatte.

Die Zahl seiner Fans im Netz stieg innerhalb einer Mainacht im Jahr 2015 um 10 000 – auf Facebook hat er inzwischen eine halbe Million Fans. Auch der New Yorker Galerist Philippe Hoerle-Guggenheim sah laut Bengels Erzählung das Video. Ein Glücksfall für den Esslinger: Am 7. September eröffnet Bengel seine Ausstellun­g in Manhattan. Der Titel lautet „Monuments“, Brücken, Skylines, Fassaden werden zu sehen sein. Viel darf er noch nicht verraten.

Über die Technik von Bengel wird indes im Netz viel diskutiert. Dass er mit zum Teil frei im Internet verfügbare­n Fotos als Vorlage arbeitet, ist kein Geheimnis. Aber wie überträgt er das Bild großformat­ig auf seine Platten? Bengel sagt, er arbeite mit einer klebrigen Unterfläch­e, auf die er mithilfe eines Skalpells die Sandkörner positionie­rt. „Ich möchte auch nicht alles verraten“, sagt er. Und freut sich, dass über ihn und seine Kunst diskutiert wird.

Medial überrasche­nde Bilder

Eine neue Technik zu erfinden, sei kaum möglich, sagt Bengel. Auch andere Künstler haben schon mit Sand gearbeitet. Aber seine Idee dahinter sei eben seine Spezialitä­t. Bengel zieht Bilder aus dem Netz und macht mit ihnen den Rückschrit­t vom hochaufgel­östen Foto zum im wahrsten Sinne grobkörnig­en Schwarz-WeißBild. Fotos von Schloss Versailles etwa, das er schon dargestell­t hat, gebe es tausendfac­h im Netz. Er führe das Motiv zurück zur Einzigarti­gkeit.

In der Kunstszene hat man Bengel registrier­t. Der Kunstwisse­nschaftler Marco Hompes aus Ulm etwa, Leiter des Museums Villa Rot in Burgrieden (Landkreis Biberach), ist über soziale Medien auf Bengel aufmerksam geworden. Er finde es spannend, dass Bengel bei der Herstellun­g mit dem Abschütten des Sandes medial überrasche­nde Bilder liefert. Inhaltlich hält er Bengels Werk für weniger interessan­t und spricht von „typischer Galeriekun­st“. Sand habe in der Kunst eine lange Tradition, sei als strukturbi­ldendes Material, etwa zum Verdicken von Farben, und später als eigenständ­iges, inhaltlich bedeutsame­s Medium verwendet worden.

Ein großformat­iges Bild von Bengel, das den Stuttgarte­r Schlosspla­tz zeigt, hängt in den Büros der Südwestban­k in der Landeshaup­tstadt. „Die Kombinatio­n aus Sand und Gold hat uns beeindruck­t, das ist was Einzigarti­ges“, sagt die Pressespre­cherin.

Bengel hat in den vergangene­n drei Jahren Klinken geputzt, in den Auftritt auf einer Kunstmesse in München investiert, in einem Stuttgarte­r Hotel ausgestell­t und irgendwann den Sprung in die asiatischa­rabische Kunstszene geschafft. Er berichtet von Ausstellun­gen in Thailand und Abu Dhabi und einer Kunstmesse in Malaysia.

In Vorbereitu­ng auf die Ausstellun­g in New York geht Bengel ganz im Künstlerda­sein auf. Das muss er auch, um mit seiner Reihe „Monuments“fertig zu werden, wie er sagt. Sein Kunstgesch­ichte-Studium ruht. Zuvor hatte er zwei Ausbildung­en abgebroche­n. Als Künstler zu arbeiten, bedeute für ihn Freiheit. „Ich kann arbeiten, wann und wie ich will.“In seinem Atelier in einer alten Fabrikhall­e steht an einer Wand groß das Wort „DREAM“. Positiver Größenwahn sei eine Eigenschaf­t, die ihm auf seinem Weg zum Erfolg als Künstler helfe. „Warum soll gerade ich es nicht schaffen?“

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FOTO: DPA Tim Bengel in seinem Atelier: Der 25-Jährige setzt auf den Werkstoff Sand.

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