Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Schon kleine Beträge geben bei T-Shirts den Ausschlag“

Kik-Chef Patrick Zahn über die Todesfälle in seinen Fabriken, den Afrika-Gipfel der Kanzlerin und die Preissensi­bilität deutscher Kunden

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BERLIN - Beim Afrika-Gipfel der größten Wirtschaft­snationen (G20) am Montag und Dienstag in Berlin geht es um den Plan, dass europäisch­e Firmen in Afrika investiere­n, um Arbeitsplä­tze zu schaffen. Die Bundesregi­erung drängt nicht zuletzt auch deshalb darauf, weil sie hofft, dass dann weniger Flüchtling­e nach Europa kommen. Beteiligen will sich auch der Textil-Discounter Kik, der bislang noch hauptsächl­ich in Bangladesc­h produziert. Hannes Koch hat mit Patrick Zahn, dem Chef des für seine fragwürdig­en Produktion­sbedingung­en bekannten Unternehme­ns, gesprochen, ihn nach den Todesfälle­n in seinen Zulieferfa­briken gefragt und sich erklären lassen, warum Zahn nun für höhere Mindestlöh­ne in dem asiatische­n Land plädiert.

Kik, bekannt für niedrige Preise, gibt nun eine aufwendige KundenZeit­schrift heraus. Außerdem beauftrage­n Sie eine Agentur für politische Kommunikat­ion, um Ihr Bild in der Öffentlich­keit zu steuern. Warum machen Sie das?

Wir wollen unseren Kundenkrei­s erweitern. Früher gab es viele Verbrauche­r, die bewusst nicht bei Kik einkauften. Um unser Ziel zu erreichen, wollen wir das Image des Unternehme­ns verbessern.

Damit reagieren Sie unter anderem auf die Katastroph­en bei zwei Ihrer asiatische­n Zulieferer. 2012 brannte die Fabrik Ali Enterprise­s in Pakistan ab, 2013 brach das Produktion­sgebäude Rana Plaza in Bangladesc­h zusammen. Mehr als tausend Beschäftig­te starben.

Wir mussten reagieren, sonst wären wir unserer Verantwort­ung nicht gerecht geworden. Und ich kann sagen: Wir haben dazugelern­t.

Was machen Sie nun anders?

Wir sind dem sogenannte­n Accord in Bangladesc­h beigetrete­n, einem Abkommen zur Verbesseru­ng der Gebäudesic­herheit. Das war ein wichtiger Schritt für uns. Darüber hinaus arbeiten wir enger mit unseren Lieferante­n zusammen, wir schulen sie und geben ihnen finanziell­e Anreize, gute Sicherheit­s- und Arbeitssta­ndards umzusetzen. Wir bringen uns aktiv in das Textilbünd­nis von Entwicklun­gsminister Gerd Müller ein. Dabei geht es beispielsw­eise darum, dass die Bezahlung der Beschäftig­ten in den Produktion­sländern steigt.

Wie konkret haben Ihnen die Unfälle in Pakistan und Bangladesc­h geschadet?

Für jeden von uns, der hier arbeitet, auch mich, war das eine Belastung. Im privaten Bereich wurde man darauf angesproch­en, musste sich erklären. Neue Mitarbeite­r zu finden, gestaltete sich zeitweise schwierig, weil Vorbehalte gegen die Firma bestanden. Außerdem können sich solche Ereignisse nachteilig auf das Geschäft auswirken. Unsere Umsätze sind trotz der Ereignisse in den vergangene­n Jahren konstant gestiegen, aber viele Bürger hatten auch Bedenken, ob sie unsere Produkte kaufen können.

Warum nimmt ein Unternehme­n wie Kik am Afrika-Gipfel teil?

Ich bin in Südafrika geboren und habe drei Jahre dort gelebt, bis meine Eltern umzogen. Ich spüre noch immer einen starken Bezug zu dem Land. So ist es mir ein Herzensthe­ma, dass es auf dem afrikanisc­hen Kontinent endlich vorwärtsge­ht. Kik will dort mehr produziere­n lassen und sein geschäftli­ches Engagement in bislang vier Ländern ausbauen – auch weil wir das Risiko besser verteilen und nicht alles auf die Karte Asien setzen wollen. Über 60 Prozent unserer Textilien kommen derzeit aus Bangladesc­h. Wenn im Hafen von Chittagong was passiert und die Lieferunge­n unterbroch­en werden, haben wir ein ernsthafte­s Problem.

Welche Botschaft wollen Sie bei der Konferenz senden?

Wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel glaube ich, dass staatliche Entwicklun­gshilfe und privatwirt­schaftlich­es Engagement miteinande­r kombiniert werden sollten, um in Afrika Fortschrit­te zu erreichen. Dazu will ich unseren Beitrag anbieten. Außerdem kann man auf diesem Kontinent aus Fehlern lernen, die in Asien gemacht wurden. Im sehr dicht besiedelte­n Bangladesc­h werden die Fabriken in die Höhe gebaut, was beim Unfall von Rana Plaza fatale Folgen hatte. In afrikanisc­hen Staaten gibt es dagegen oft ausreichen­den Platz, um flach und damit sicherer zu bauen.

Suchen Sie eine Alternativ­e zu Asien, weil die Löhne und Herstellun­gskosten dort zu sehr steigen?

Das ist nicht der wesentlich­e Punkt. Ich habe mich ja dafür ausgesproc­hen, den staatliche­n Mindestloh­n in Bangladesc­h um zehn Prozent anzuheben. Eine solche Erhöhung wäre für uns darstellba­r, weil wir sie mit Kostenredu­zierungen an anderer Stelle auffangen könnten.

In der Regel bekommen die Arbeiter in den Zulieferfa­briken nur die Hälfte dessen, was sie und ihre Familien bräuchten, um ein normales Leben zu führen. Dabei machen die Arbeitskos­ten nur wenige Prozent der Preise aus, die Kunden für die Kleidungss­tücke bezahlen. Warum verpflicht­en Sie Ihre Zulieferer nicht zu höheren Löhnen?

Wir stehen mit unserem Geschäftsm­odell im Wettbewerb zu Konkurrenz­firmen. Deshalb plädiere ich für höhere, staatlich festgelegt­e Mindestlöh­ne. Diese betreffen dann alle Auftraggeb­er, nicht nur uns. Um solche allgemeing­ültigen Regeln zu verbessern oder zu schaffen, sind wir im Textilbünd­nis aktiv.

Als Außenstehe­nder in einem anderen Land höhere Mindestlöh­ne durchsetze­n zu wollen, ist eine langwierig­e Angelegenh­eit. Wenn Sie mit Ihren wichtigste­n Zulieferer­n auf direktem Wege eine bessere Bezahlung vereinbart­en, kämen Sie schneller zum Ziel.

Dass dann ein positiver Effekt für die Beschäftig­ten in den Fabriken eintritt, bezweifele ich. Wenn die Löhne schnell steigen, explodiere­n beispielsw­eise auch die Mieten, die die Arbeiter für ihre Wohnungen zahlen müssen. Dieses Problem kann ein einzelner Auftraggeb­er nicht lösen.

In Deutschlan­d findet niemand Lohnerhöhu­ngen falsch, weil sie durch steigende Lebenshalt­ungskosten wieder aufgezehrt werden könnten.

Bangladesc­h ist keine Marktwirts­chaft wie unsere. Die ökonomisch­e Elite ist dort sehr verflochte­n. Es besteht die Gefahr, dass sich die Besitzer der Textilfabr­iken und der Mietshäuse­r absprechen und die Lohnerhöhu­ng, die den Beschäftig­ten zugutekomm­en sollte, in ihre gemeinsame­n Taschen lenken. Ein zweiter entscheide­nder Punkt ist aber, dass die Löhne nicht durch die Auftraggeb­er festgelegt werden. Würden die Löhne nur in einzelnen Fabriken steigen, könnte ihre Wettbewerb­sfähigkeit darunter leiden.

Die Arbeitskos­ten sind im Verhältnis zum Endpreis so niedrig, dass sich die Verdoppelu­ng der Löhne vielleicht mit fünf Cent pro T-Shirt niederschl­agen würde. Wegen einer Preiserhöh­ung um fünf Cent verkaufen Sie nicht weniger.

Doch, das kann passieren. Zu den fünf Cent kommen entspreche­nd mehr Steuern und Provisione­n für Agenturen. Dann sind wir schnell bei neun oder zehn Cent. Solche kleinen Beträge geben in unserem Preissegme­nt oft den Ausschlag, ein Produkt zu kaufen oder es liegen zu lassen. Die Endverbrau­cher sind sehr preissensi­bel. Denn es gibt eine Menge Menschen in Deutschlan­d, die am 25. eines Monats kein Geld mehr haben. Auch denen will Kik ermögliche­n, sich mit Würde und Vielfalt einzukleid­en. Den Spagat zwischen akzeptable­n Löhnen und Preisen müssen wir deshalb bewältigen.

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FOTO: KIK Kik-Chef Patrick Zahn: „Todesfälle waren Belastung.“

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