Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zukunftsvi­sion der Müllabfuhr: Gelbe Säcke in Papiertonn­e

Kreis Ravensburg denkt über ähnliches System wie in Biberach nach – Kreistag soll Ende des Jahres entscheide­n

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Jeder nutzt sie – viele meckern darüber: Die Müllabfuhr im Landkreis Ravensburg ist in Sachen Service verbesseru­ngswürdig. Seit anderthalb Jahren ist der Kreis Ravensburg wieder für die Abfallwirt­schaft zuständig – mit Ausnahme der Städte Isny und Wangen. Nach der Einführung der Biotonne überlegt sich der Kreis derzeit, wie er das System reformiere­n kann. Die „Schwäbisch­e Zeitung“beleuchtet in dieser und den nächsten Ausgaben, was alles denkbar ist und wie sich die Veränderun­gen auf die Müllgebühr­en auswirken könnten.

Wer freitagnac­hmittags ab 15 Uhr auf dem Wertstoffh­of in Baindt vorbeischa­ut, kann bizarre Szenen beobachten: Ein Rollstuhlf­ahrer zieht einen gelben Sack mit Verpackung­smüll hinter sich her, eine alte Dame hat ihren vorne an den Rollator gebunden. An den meterhohen, roten Containern versuchen die Bürger, die Säcke in die obere Öffnung zu werfen. Die meisten landen auch auf Anhieb darin, aber hin und wieder braucht es zwei oder mehr Versuche, bis der Sack in den Container fliegt. Komfortabe­l ist das nicht.

Kaum verwunderl­ich also, dass Landrat Harald Sievers, der aus Nordrhein-Westfalen ein bürgerfreu­ndliches Abholsyste­m der gelben Säcke kennt, den Service verbessern will. Ab Anfang 2019 wäre das möglich, wenn bestehende Verträge mit den Dualen Systemen und der Firmal Veolia auslaufen. Der Kreistag muss bis Ende dieses Jahres die Entscheidu­ng treffen, wie es weitergehe­n soll. „Wir sind noch in der Analysepha­se und listen nur Ideen auf“, betont der für Abfallwirt­schaft zuständige Finanzdeze­rnent Franz Baur. Denkbar sind vier Lösungen. Die Kreisverwa­ltung habe aber bislang noch nicht mal festgelegt, welche Lösung sie selbst favorisier­t.

Vier Lösungen sind denkbar

Möglichkei­t eins: Der Kreis führt die gelbe Tonne ein. Als Vorläufer der Wertstofft­onne, in die irgendwann auch andere Kunststoff­e außer Verpackung­en und Dosen geworfen werden dürfen, hätte sie gegenüber gelben Säcken einige Vorteile. Sie kann bei starkem Wind nicht durch die Gegend fliegen oder reißen, sodass keine Tiere angelockt werden oder die leeren Verpackung­en Straßen und Gehwege verschmutz­en. Nachteile: Die Bürger müssen eine weitere Tonne unterbring­en, und das Volumen ist begrenzt, Übermengen können also nicht auf die Straße gestellt werden.

Möglichkei­t zwei: Die gelben Säcke werden zu festen Terminen im Zwei- oder Vierwochen­rhythmus vor der Haustür abgeholt. Hauptvorte­il ist ein leichter Transport für die Bürger, der theoretisc­h auch mehrere Säcke auf die Straße stellen kann. Lösung drei: Alles bleibt beim Alten.

Lösung vier ist die interessan­teste. „Wir haben versucht, das System mit den Augen des Bürgers zu sehen“, erläutert Franz Baur. Und dabei habe man auch geschaut, wo die Müllabfuhr besonders gut laufe: im Nachbarkre­is Biberach. Dort wird die Papiertonn­e gleichzeit­ig als Aufbewahru­ngsmöglich­keit für gelbe Säcke genutzt. Das funktionie­rt folgenderm­aßen: In der Papiertonn­e wird bis zum monatliche­n Abfuhrterm­in Papier gesammelt. Gleichzeit­ig füllt der Bürger bei sich daheim die gelben Säcke auf. Direkt nach der Papiermüll­abfuhr kann er die gelben Säcke dann in die Papiertonn­e legen, die tags darauf wieder geleert wird, diesmal vom Dualen System beziehungs­weise einer beauftragt­en Tochterfir­ma. „Drei gelbe Säcke passen in die Tonne herein. Man kann natürlich zusätzlich­e Säcke auch daneben stellen.“Die Vorteile: Die Bürger brauchen keine zusätzlich­e Tonne unterzubri­ngen, das Volumen ist nicht beschränkt, und die Gefahr, dass Verpackung­smüll durch die Straßen fliegt und Tiere anlockt, ist gering. Zusätzlich könnte der Landkreis einige Wertstoffh­öfe offen halten, falls Bürger außerhalb der Abfuhr gelbe Säcke loswerden wollen. Im Kreis Biberach sind das sechs, im Kreis Ravensburg wären es eher acht.

Dosensyste­m wird reformiert

Baur schätzt, dass die Kosten für die Müllabfuhr im Jahr durch die Einführung des Holsystems nicht steigen würden. Zwar werde sich die Grundgebüh­r leicht erhöhen (von 58 auf 62 Euro für Haushalte mit 60-Liter-Tonne), dafür werde der Bürger nach Schätzunge­n des Landratsam­tes aber mehr Verpackung­smüll, der jetzt noch aus Bequemlich­keit in der Restmüllto­nne landet, in die gelben Säcke werfen und sich so etwa zwei Abfuhren à zwei Euro pro Jahr sparen. Baur: „Letztendli­ch ein Nullsummen­spiel.“Was wohl auf jeden Fall reformiert wird, ist die Dosensamml­ung. Unabhängig davon, ob am Bringsyste­m festgehalt­en oder auf ein Holsystem umgestiege­n wird, darf man wahrschein­lich Dosen ab 2019 in den gelben Sack oder die Tonne werfen. Baur: „Heutzutage ist es für die modernen Anlagen kein Problem mehr, Metalle auszusorti­eren.“

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BILDKOMBO: MÄGERLE Vorbild Biberach: Im Nachbarlan­dkreis können die Bürger gelbe Säcke direkt an die Straße stellen oder in die Papiertonn­e legen, da der gelbe Müll einen Tag nach dem Papiermüll abgeholt wird.

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