Informierte Patienten fahren weiter
TK-Studie zeigt: Nähe einer Klinik zum Wohnort bleibt dennoch wichtig
STUTTGART - Nehmen Patienten zunehmend weite Wege in Kauf, wenn sie ins Krankenhaus müssen? Ja, sagt die Techniker Krankenkasse und beruft sich auf eine aktuelle Befragung ihrer Kunden. Sie fordert deshalb, bestimmte Leistungen nur noch an größeren Kliniken zu bündeln. Ganz anders die Landkreise. Sie werten die Ergebnisse als Beleg dafür, dass Bürger Kliniken in Wohnortnähe wünschen.
Die gute Nachricht: Die meisten Patienten im Verbreitungsgebiet der „Schwäbischen Zeitung“sind zufrieden mit der Behandlung in einem der regionalen Krankenhäuser. Das hat die Umfrage der TK ergeben. 18 000 Patienten aus Baden-Württemberg machten dabei Angaben zu ihrem Krankenhausaufenthalt. Dabei schnitten Baden-Württembergs Krankenhäuser im Schnitt besser ab als Kliniken im Bundesgebiet. Allerdings zeigten sich große Unterschiede. In den Sana Kliniken in Biberach war jeder dritte befragte TK-Versicherte nicht zufrieden. Die Verantwortlichen der Klinik führen das darauf zurück, dass nur wenige TKKunden in ihrem Haus behandelt werden. So hätten sich nur 5,7 Prozent aller Patienten an der Umfrage beteiligt. „Dies ist ein nicht repräsentatives Ergebnis“, sagt Kliniksprecherin Anja Wilhelm. So würden bei regelmäßigen Befragungen 98 Prozent der Patienten des Klinikums angeben, die Klinik weiterzuempfehlen.
Aus politischer Sicht spannend sind Ergebnisse zur Erreichbarkeit. Die Zahlen sehen so aus: Auf die Frage, warum sich jemand für eine Klinik entscheidet, antwortet jeder Dritte, er habe sich vorab gezielt über die Qualität der Behandlung informiert. Mehr als die Hälfte hört auf den Rat ihres Arztes, 37 Prozent wählen eine nahe gelegene Klinik. Und unter jenen, die sich informieren, nehmen viele einen längeren Anfahrtsweg in Kauf. Blickt man auf die Gruppe dieser informierten Patienten, so würden hier knapp zwei Drittel weitere Wege für eine gute Behandlung in Kauf nehmen. Das sind deutlich mehr als in der Gruppe der Nichtinformierten.
Andreas Vogt, Leiter der TK-Landesvertretung, zieht daraus den Schluss: „Das ist ein klares Signal an die Politik, planbare und spezialisierte Leistungsbereiche in Zentren zu bündeln, in denen die Patienten von optimalen medizinisch-technischen Standards und größtmöglicher Erfahrung der behandelnden Ärzte profitieren.“Das Plädoyer für größere Standorte ist auch eines gegen kleine Krankenhäuser. Damit unterstützt die TK wie andere Krankenkassen im Land den Kurs von Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne).
Spezielle Eingriffe als Geldbringer
So sind Konflikte wie jener in Riedlingen programmiert. Dort kämpfen Bürgerinitiative und Landrat für den Erhalt des 70-Betten-Hauses, das aus Sicht der Kritiker kaum rentabel zu betreiben ist. Der Streit zeigt: Viele Bürger wünschen sich trotz allem ein Krankenhaus in der Nähe. „Politik und auch wir Krankenkassen müssen die Debatte führen, auch wenn sie unbequem ist“, so Vogt. Er fordert die Landesregierung auf, Kliniken genauere Vorgaben zu machen. Das Land müsse zum Beispiel verhindern, dass sich kleine Häuser auf Eingriffe spezialisieren, die zwar viel Geld bringen, aber für eine Basisversorgung nicht nötig wären. So etwas kommt immer wieder vor, weil kleine Kliniken sich aus den Basisleistungen nicht finanzieren können.
Um die Versorgung besser planen zu können, gibt es seit einigen Monaten bundesweite Orientierungsgrößen. Sie liefern Antworten auf Fragen wie: Welche Angebote müssen innerhalb einer bestimmten Fahrtzeit erreichbar sein? Kann ein Krankenhaus nicht wirtschaftlich arbeiten, ist aber für die Versorgung in der Region notwendig, müssen die Kassen Zuschläge zahlen. Wendet man diese Kriterien auf Baden-Württemberg an, würden laut der Krankenhausgesellschaft nur drei bis vier Kliniken profitieren. Das Land kann zwar von den Regeln abweichen – dann jedoch fließen die Zuschüsse nicht von den Kassen, sondern werden von allen Kliniken im Land mitfinanziert.
Alexander von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, warnt daher vor übereilten Schließungsdebatten. Immerhin wählten auch viele TK-Befragte das Krankenhaus danach aus, wie weit es vom Wohnort entfernt sei. Außerdem würden kleine Kliniken besser bewertet als große. In den vergangenen 15 Jahren habe sich bereits viel getan in der Krankenhauslandschaft. Zwischen 1990 und 2015 sank die Zahl der Krankenhäuser um 15 Prozent, obwohl die Zahl der Patienten um ein Drittel gestiegen ist. „Insofern muss man den Eindruck gewinnen, dass die Strukturdiskussion vor allem dazu dient, von dem eigentlichen Grundproblem des Krankenhauswesens in Baden-Württemberg abzulenken“, so von Komorowski. Und das sei schlicht Geldnot: Bund und Land müssten die Kliniken endlich auskömmlich finanzieren.