Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der europäisch­en Idee geschadet

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

N un handelt die Europäisch­e Union. Endlich, möchte man sagen. Seit Monaten tanzen die osteuropäi­schen Staaten Brüssel auf der Nase herum, wenn es um die Aufnahme von Flüchtling­en geht. Sie verweigern konsequent die von allen EU-Staaten geforderte Solidaritä­t und ließen jede Kritik an ihrem Vorgehen an sich abperlen. Damit haben sie der EU als Ganzes geschadet, war ihre Haltung doch ein deutliches Zeichen dafür, dass es mit der viel beschworen­en Werteunion nicht weit her ist, wenn die eigenen Interessen tangiert sind. Die EU-Kommission hätte längst hart durchgreif­en müssen, denn so tanzt jeder aus der Reihe, dem ein von Brüssel beschlosse­nes Projekt nicht behagt.

Was für Politiker in Brüssel und in den solidarisc­hen Mitgliedss­taaten ärgerlich ist, zieht in Ländern wie Griechenla­nd und Italien auch menschlich­e Katastroph­en nach sich. In diesen eh von Krisen gebeutelte­n Staaten sitzen Tausende Flüchtling­e fest, auch diejenigen, die nach dem Beschluss der EU-Kommission längst umverteilt hätten werden können: Syrer, Eritreer – Flüchtling­e mit sehr hohen Anerkennun­gsquoten. Diese Situation führt verständli­cherweise zu Verdruss: Die Regierunge­n in Athen und Rom fühlen sich in der Flüchtling­spolitik alleingela­ssen, die zumeist jungen Migranten in den Lagern vertun Jahre ihres Lebens mit sinnlosem Warten.

Dass die EU ihr Ziel erreicht, bis November 160 000 Flüchtling­e umzuvertei­len, ist nicht realistisc­h. Wie soll sie in Monaten umsetzen können, was in eineinhalb Jahren nicht gelang? Zumal die Bereitscha­ft, Flüchtling­e aufzunehme­n, in den bislang solidarisc­hen Ländern infolge von Terroransc­hlägen und Übergriffe­n wie in der Kölner Silvestern­acht gelitten hat. Die Quotenrege­lung, die das ungerechte Dublin-System ergänzen sollte, ist gescheiter­t.

Das Traurige daran ist, dass im Ergebnis jene ihre politische­n Ziele erreicht haben, die sich auf Kosten anderer Mitgliedsl­änder einer fairen Lösung verweigert haben. Und dass jene, die mit Herzblut die europäisch­e Idee verteidige­n, auch langsam den Glauben daran verlieren.

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