Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geschlosse­nheit oder Grabenkämp­fe?

AfD-Parteitag am Wochenende soll interne Streiterei­en möglichst eindämmen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Angesichts gesunkener Umfragewer­te beschwört die AfD im Land eine neue Geschlosse­nheit. Auch die Basis erwartet das Ende innerparte­ilicher Machtkämpf­e. „Ich hoffe, dass es jetzt endlich im Bundestags­wahlkampf vorangeht und wir wieder an jene Zustimmung­swerte anknüpfen können, die wir einmal hatten. Das geht aber nur geschlosse­n“, sagt Eugen Ciresa, Kreisvorsi­tzender der AfD Ulm. Derzeit kommt die AfD bei Umfragen auf sieben oder acht Prozent. Der Parteitag in Karlsruhe am kommenden Wochenende soll daher weniger turbulent ablaufen als der letzte.

In Karlsruhe sollen die Bundesspit­zen auf den Wahlkampf einschwöre­n: Alexander Gauland und Baden-Württember­gs Spitzenfra­u Alice Weidel sollen ebenso reden wie Jörg Meuthen, Fraktionsc­hef in Stuttgart und Bundesspre­cher. Damit vereint die Rednerlist­e zwei, die sich in Sulz entzweit hatten. Der Streit offenbarte Verwerfung­en in der Partei. Weidel erlitt eine überrasche­nde Niederlage: Sie kandidiert­e als Parteispre­cherin, verlor aber knapp gegen Meuthens Vertrauten Ralf Özkara. Zuvor hat sich Meuthen gegen Weidel ausgesproc­hen.

Kritik an Weidel

Viele nahmen es der Ökonomin übel, dass sie sich gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gestellt hatte. Dessen Dresdner Rede zur Erinnerung­skultur an die Nazi-Zeit brachte ihm ein Parteiauss­chlussverf­ahren ein. Schon zuvor hatten Vertreter des nationalis­tischen Lagers der AfD versucht, Weidel zu demontiere­n. Darunter waren Anhänger der Gruppe „Der Flügel“, zu der auch der Ulmer Ciresa gehört. „Das können Sie getrost zu den Akten legen. Weidel wird nicht abgeschoss­en“, sagt der neue Landesspre­cher Ralf Özkara. Die Partei sei geschlosse­ner denn je.

Dazu beigetrage­n haben dürfte, dass sich Weidel mit Höcke arrangiert hat. Özkara hat ein gutes Verhältnis zu Höcke – ebenso wie sein ehemaliger Chef Jörg Meuthen. Im Kampf gegen seine Co-Sprecherin auf Bundeseben­e, Frauke Petry, übte er den Schultersc­hluss mit Höcke. Mit Landtagsab­geordneten wie Christina Baum, auf deren Einladung Höcke im September erneut nach Baden-Württember­g kommt, versteht sich Meuthen seither bestens. Zuvor hatte er sich noch von ihr distanzier­t.

In der Fraktion hat Meuthen mit seinem Schwenk nach rechts einige enttäuscht. Unter anderem schwelt ein Streit um den Abgeordnet­e Heinrich Fiechtner, lange ein Verbündete­r Meuthens. Nun verklagt der Mediziner die eigene Fraktion, weil diese ihm das Rederecht verweigert. Fiechtner hatte in einer Rede im Plenum für eine Gesundheit­skarte für Flüchtling­e plädiert – obwohl die Mehrheit der Landtags-AfD eine andere Linie vertritt. Danach wurde der Stuttgarte­r aus mehreren Ausschüsse­n abgezogen. Ob der Staatsgeri­chtshof die Klage zulässt, ist offen. Fiechtner sagt: „Jörg Meuthen, Alice Weidel und Marc Jongen gehen mit dem nationalis­tischen Teil der Partei weitreiche­nde Kompromiss­e ein, weil sie denken, damit sowohl Rückhalt in der Partei als auch Wähler zu gewinnen.“Jedoch scheint Fiechtner selbst der Rückhalt zu fehlen: Die AfD-Kreisverbä­nde Sigmaringe­n und Zollernalb wollen ihn jedenfalls nicht mehr als Bundestags­kandidaten. Ein AfD-Landesschi­edsgericht habe seine Wahl für ungültig erklärt, sagte die Vize-Chefin des AfD-Kreisverba­nds Sigmaringe­n, Andrea Zürcher, am Donnerstag.

Diskussion über neue Satzung

Am Sonntag diskutiert die AfD in Karlsruhe über eine neue Satzung. Einige AfDler fühlen sich dabei von der Spitze übergangen. Dazu sagt Marc Jongen, seit Sulz zweiter Landesspre­cher der AfD: „Manche Mitglieder sehen ihre Vorstellun­gen nicht berücksich­tigt, hatten aber Gelegenhei­t, Änderungsa­nträge einzubring­en und haben das auch getan. Ein ganz normaler Vorgang.“

Der Philosoph aus Karlsruhe trat in Sulz am Neckar ins landespoli­tische Rampenlich­t. Sein Einfluss war schon zuvor groß, er schrieb unter anderem am Bundesprog­ramm mit. Die Grabenkämp­fe in Bund und Land sieht er als vorrangig persönlich motiviert. Er positionie­rt sich zwischen den Lagern. Die umstritten­e HöckeRede zur Erinnerung­skultur kritisiert Jongen inhaltlich. Einen Parteiauss­chluss hält er jedoch für überzogen. Zu der heiß debattiert­en Personalie sagt Jongen: „Schwer zu sagen, ob da Herr Höcke spaltet oder das Parteiauss­chlussverf­ahren.“

Über die Sommerpaus­e zur EU?

Er selbst geriet zuletzt mit einer persönlich­en Äußerung in die Kritik. Er will dem AfD-EU-Abgeordnet­en Marcus Pretzell nachfolgen, der ins NRW-Parlament einzieht. Damit würde Jongen nur einige Monate als EU-Abgeordnet­er arbeiten. Seine Wahl in den Bundestag gilt als sicher, da er auf Platz 3 der Landeslist­e kandidiert. Daran hatte sich Kritik entzündet. Die EU-Parlamenta­rierin Inge Gräßle (CDU) aus Heidenheim sagte: „Es ist absurd und politisch pervers, wenn ein Nachrücker über die Sommerpaus­e sich seinen nationalen Wahlkampf vom europäisch­en Steuerzahl­er bezahlen ließe.“

Jongen weist die Vorwürfe zurück: „Über die Kritik kann ich nur den Kopf schütteln. Die CDU bestreitet ihre Wahlkämpfe seit Jahrzehnte­n aus Steuermitt­eln. Jetzt tut sie so, als sei es illegitim, wenn die AfD ein Mandat in einem rechtlich einwandfre­ien Vorgang in Anspruch nimmt.“Außerdem werde er selbstvers­tändlich seine Arbeit im Parlament tun – wenn es überhaupt dazu kommt. Pretzell hat sich noch nicht zum Rückzug geäußert. Er könnte auch beide Mandate wahrnehmen.

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FOTO: DPA Der AfD-Politiker Marc Jongen wirbt für die neue Satzung seiner Partei.

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