Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Silberpfei­l zielt auf Moskau

Daimler baut Werk in Russland – Kapazität von bis zu 25 000 Fahrzeugen jährlich

- Von Thomas Körbel

MOSKAU (dpa) – Vor den Toren der russischen Hauptstadt auf einem früheren Militärgel­ände beginnt der Stuttgarte­r Autoherste­ller Daimler mit dem Bau seines ersten Werks in Russland. Nach Jahren des Abschwungs auf dem einstigen Hoffnungsm­arkt wertet die russische Führung den Neubau als Prestigepr­ojekt. Der Zeitpunkt erscheint gut gewählt: Experten sehen Bewegung auf dem Markt.

Bis zum Industriep­ark Jessipowo nordwestli­ch von Moskau sind es rund 40 Kilometer über die Landstraße in Richtung St. Petersburg. Auf einer Fläche von rund 85 Hektar soll das Mercedes-Werk entstehen. Das Ziel: Bis zu 25 000 Fahrzeuge sollen jährlich vom Band laufen. E-Klasse-Limousinen und Geländewag­en – die bisherigen Bestseller in Russland – will Mercedes-Benz produziere­n und so seine ohnehin starke Position im russischen Premium-Segment ausbauen.

2016 hat Mercedes-Benz knapp 37 000 Neuwagen in Russland verkauft. Zwar war dies ein Minus von elf Prozent im Vergleich zu 2015, doch zumindest im Mai und April legte der Absatz wieder leicht zu. Im Lkw-Segment baut Daimler bereits seit einigen Jahren zusammen mit dem staatliche­n Hersteller Kamaz Fahrzeuge für den russischen Markt.

Mit rund 2,9 Millionen verkauften Neuwagen lag Russland 2012 europaweit auf Platz zwei hinter Deutschlan­d. Der Ölpreis- und Rubelverfa­ll stürzten das Land in eine schwere Krise, viele mussten sparen. 2016 kauften die Russen noch 1,4 Millionen Autos.

Erstmals seit mehr als vier Jahren Krise sehen sich die Autobauer in Russland nun wieder im Aufwind. Beflügelt von einer wirtschaft­lichen Entspannun­g haben die Russen zwischen März und Mai erstmals wieder mehr neue Autos gekauft. Allein im Mai sieht die Vereinigun­g Europäisch­er Unternehme­n (AEB) in Moskau ein Plus von 14,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum.

Dies sei das erste zweistelli­ge Wachstum seit Jahren, sagt AEB-Experte Jörg Schreiber. Zwar ist die Bilanz seit Jahresbegi­nn mit einem Gesamtwach­stum von 5,1 Prozent bescheiden. Aber: „Der Erholungsp­rozess wandelt sich in einen dauerhafte­n Trend“, meint er.

Ein Trend, von dem die russischen Behörden positive Effekte erwarten. Daimlers Investitio­n von mehr als 250 Millionen Euro soll nach Konzernang­aben mehr als 1000 Arbeitsplä­tze schaffen. „Das ist ein wichtiges und symbolisch­es Ereignis“, sagt Gouverneur Andrej Worobjow. So wichtig, dass sich Industriem­inister Denis Manturow zur Grundstein­legung angekündig­t hat. Es ist die erste Neuniederl­assung eines großen westlichen Autoherste­llers in Russland seit zehn Jahren.

Um Daimler die Investitio­n zu versüßen, sparen die Behörden nicht mit Anreizen. Bis 2025 hat die Moskauer Gebietsver­waltung MercedesBe­nz von der Umsatzsteu­er befreit. Bis 2029 steigt sie graduell auf 13,5 Prozent. Hinter vorgehalte­ner Hand vermuten Beobachter auch, dass Mercedes seinen Status als beliebte Marke für Funktionär­e verteidige­n will. 2014 hatte die Regierung festgelegt, dass Behörden ihre Fuhrparks nur mit Autos aus russischer Produktion bestücken dürfen.

Matthias Schepp, Leiter der Auslandsha­ndelskamme­r, ist aber überzeugt: „Die russischen Regionen rollen Investoren in letzter Zeit den roten Teppich aus.“Es werde geschätzt, dass etwa deutsche Firmen trotz politische­r Probleme zwischen Moskau und dem Westen an Russland festhalten. „Während amerikanis­che Konzerne wie General Motors Russland verlassen haben, sind deutsche Unternehme­n geblieben und gehen sogar verstärkt rein.“

In der Tat springt Daimler mit seiner Produktion in Russland auf einen Zug auf, den Mitbewerbe­r schon vor Jahren bestiegen haben. BMW ist seit 1999 in der Ostsee-Exklave Kaliningra­d (früher Königsberg) vertreten, 2015 wurden dort 16 200 Fahrzeuge gefertigt. Auch Volkswagen hatte zuletzt sein Engagement in Russland ausgebaut.

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FOTO: DPA Markus Schäfer (2.v.li.), Mercedes-Benz Cars, schaut bei der Grundstein­legung des neuen Werkes mit seinen Gästen auf das Modell. Der Stuttgarte­r Autoherste­ller Daimler hat mit dem Bau seines ersten Werks in Russland begonnen.

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