Schwäbische Zeitung (Wangen)

Berater glaubte an Schleckers Rettung

Zeugenauss­age im Prozess: Überleben der Drogeriema­rktkette wäre möglich gewesen

- Von Jan Petermann

STUTTGART (dpa) - Noch kurz vor der Insolvenz konnte sich die untergehen­de Drogeriema­rktkette Schlecker laut einem früheren Berater Hoffnung auf ihr Überleben machen. Der Experte sagte am Montag im Stuttgarte­r Bankrott-Prozess gegen Ex-Drogerie-Patriarch Anton Schlecker sowie dessen mitangekla­gte Kinder Lars und Meike aus. Er betonte, die Firma hätte mithilfe eines ab Anfang 2011 umgesetzte­n Sanierungs­programms wieder auf die Beine kommen können: „Wir konnten wirklich daran glauben, dass das neue Konzept wettbewerb­sfähig ist.“

Bis Mitte 2012 habe man die Filialzahl auf 6000 umgestalte­te Läden „gesundschr­umpfen“wollen, erklärte der Unternehme­nsberater als Zeuge vor dem Landgerich­t. Europas einst größte Drogeriema­rktkette meldete dann aber Anfang 2012 Insolvenz an. Zehntausen­de Beschäftig­te verloren ihren Job.

Die Staatsanwa­ltschaft ist der Auffassung, dass Schlecker schon spätestens Ende 2009 die Zahlungsun­fähigkeit drohte und der Gründer über die Lage im Bilde war. Sie wirft Anton Schlecker vorsätzlic­hen Bankrott vor. Er soll außerdem Geld aus dem Unternehme­n gezogen und an seine Kinder verschoben haben, die wegen Beihilfe angeklagt sind.

Analysen hätten gezeigt, dass das neue Ladenkonze­pt bis zu 30 Prozent mehr Umsatz hätte bringen können, sagte der Berater. „Ich bin überzeugt, dass das so hätte realisiert werden können.“Ziel der Strategie „Fit for future“(Fit für die Zukunft) sei die Wende bei Schlecker gewesen.

„Alles, was wir gemacht haben, war mit der Familie besprochen und abgestimmt“, so der Sanierer. Hätte die Kette auf Basis der ersten fünf Monate 2010 weitergema­cht wie bisher, wäre der Verlust in Deutschlan­d möglicherw­eise auf jährlich 100 Millionen Euro gewachsen. „Unsere Empfehlung an die Familie war: Ihr solltet euch um eine Finanzieru­ng des Konzeptes kümmern. Wenn es gelungen wäre, hätten wir heute 6000 Schlecker-Filialen – und nicht null Schlecker-Filialen.“.

Positive Reaktionen

Nicht erklären könne er sich, warum Schlecker zur Umsetzung des Rettungspl­ans keine zusätzlich­en Mittel bei Banken aufnehmen wollte, sagte der Berater: „Ich weiß nicht, warum es letztlich nicht zu einer Finanzieru­ng gekommen ist.“Dabei habe es positive Reaktionen von der damaligen WestLB und von der Commerzban­k auf das Konzept gegeben.

Eine frühere Geschäftsf­ührerin der Schlecker-Tochter XL GmbH, in der der Konzern größere Märkte ausprobier­te, gab sich vor Gericht verschloss­en. Sie habe keine Details zur Gewinn- oder Verlustent­wicklung gewusst, sagte sie auf Nachfrage des Richters. An Bilanz und Buchhaltun­g könne sie sich ebenfalls nicht erinnern. Jedoch habe sie im Januar 2012 den Insolvenza­ntrag der GmbH „im Schnelldur­chlauf“unterschri­eben.

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