Flug in den Pizzaofen
Die europäische Raumsonde Bepi Colombo startet 2018 zum Erkundungsflug Richtung Merkur
NOORDWIJK/IMMENSTAAD - Europa bereitet sich auf seine erste Reise zum Merkur vor. Die Raumsonde Bepi Colombo soll im Oktober 2018 starten und nach sieben Jahren den sonnennächsten Planeten 2025 erreichen. Mit von der Partie bei der heißen Mission ist die japanische Raumfahrtagentur JAXA. „Wir fliegen in einen Pizzaofen“, sagte Johannes Benkhoff, Projektwissenschaftler bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA im holländischen Nordwijk, wo Bepi Colombo letzten Tests unterzogen wird.
Temperaturen von plus 430 bis minus 180 Grad dürfen die mit Instrumenten voll gepackte Sonde nicht aus der Fassung bringen. „Es ist schon schwierig, zum Merkur zu kommen, aber noch schwieriger ist es, dort zu bleiben und zu arbeiten“, sagte Alvaro Gimenez, ESA-Direktor für Wissenschaft. Doch der Höllentrip lohnt sich. Die Wissenschaftler erwarten, auf dem Merkur nichts weniger als den Schlüssel zum Verständnis unseres Sonnensystems zu finden.
Zwei NASA-Sonden waren schon dort – Mariner 10 flog 1973 dreimal vorbei, Messenger kam 2011 an und umkreiste den Planeten bis 2015. Sie haben ein schwaches Magnetfeld um den Merkur herum gemessen, was den Forschern immer noch Rätsel aufgibt, sie haben tiefe Krater und Eis an den Polen entdeckt. Doch große Teile des Planeten liegen nach wie vor im Dunklen. „Er steckt noch voller Geheimnisse“, sagte Benkhoff. Um sie zu lüften und der Antwort auf die Frage aller Fragen nach dem Ursprung der Planeten und damit des Lebens näher zu kommen, scheuen die beteiligten Staaten weder Kosten noch Mühen. 1,3 Milliarden Euro beträgt das Budget der ESA – ohne die Kosten für die Instrumente, die von Instituten aus aller Welt kommen. Die Japaner beispielsweise geben 130 Millionen Euro für ihr Modul aus, das vor allem die Magnetosphäre des Merkur erkunden soll.
Mehr als zehn Jahre haben bis zu 100 Ingenieure bei Airbus in Immenstaad am Bodensee zusammen mit 83 Firmen aus 16 Ländern an dem Raumfahrzeug gearbeitet, sagte Airbus-Projektleiter Markus Schelkle. Seit drei Jahren läuft die Testkampagne in Noordwijk, so lange wie bei keinem anderen Raumfahrzeug. Es mussten extra Testkonfigurationen geschaffen werden, um die extremen Umweltbedingungen in Merkurnähe zu simulieren. Noch bis März 2018 wird das sechs Meter hohe und vier Tonnen schwere Technologiepaket in den Niederlanden getestet. Dann wird es in Einzelteile zerlegt und mit drei Antonows zum Startplatz nach Französisch-Guayana gebracht.
Bepi Colombo besteht aus zwei Orbitern, dem Mercury Planetary Orbiter (MPO) der ESA und dem Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO) der JAXA. Dazu kommt ein Antriebsmodul und ein Sonnenschild. Fest miteinander verbunden werden sie im Oktober 2018 auf die mehr als als acht Milliarden Kilometer lange Reise geschickt. Bei ihrer Ankunft im Dezember 2025 müssen sich die vier Teile selbstständig trennen. Antriebsmodul und Hitzeschild werden abgesprengt, die beiden Sonden auf unterschiedliche Bahnen um den Merkur gebracht.
Am Merkur angekommen, heizen Sonne und die glühende Merkuroberfläche den beiden Raumfahrzeugen kräftig ein. Die Kombination von großer Hitze und UV-Strahlung sei vor allem für die Entwicklung von Solarzellen ein großes Problem gewesen, sagte Schelkle. 14 000 solcher Zellen, die bis zu 215 Grad Celsius aushalten, sorgen dafür, dass die insgesamt 16 Instrumente auf beiden Orbitern immer genügend Strom haben. Alle Teile, die der Sonne ausgesezt sind, bestehen aus Titan und Keramik und halten bis 450 Grad aus.
Mindestens ein Jahr lang sollen beide Sonden auf unterschiedlichen eliptischen Bahnen den Merkur umkreisen und seiner Oberfläche auf bis zu 200 Kilometer nahekommen. Die Missionswissenschaftler versprechen phantastische Bilder in einer Pixelauflösung unter fünf Metern. „Wir können in Krater hineinschauen und die Beschaffenheit der Oberfläche erkunden“, sagt Benkhoff. 1550 Gigabit Daten erwarten die Wissenschaftler pro Jahr von Bepi Colombo. Für den japanischen Orbiter ist nach 3,5 Jahren definitiv Schluss. Er wird auf den Merkus stürzen. Hält die europäische Sonde länger durch, könnte sie 2029 den Einschlag beobachten, erklärt Benkhoff.