Lieb und teuer
Biertrinker greifen lieber zum teuren Heimatbier als zum Sonderangebot großer Marken
RAVENSBURG - Markenbiere zum Schnäppchenpreis sind die Regel und nicht die Ausnahme in Deutschland. Wie Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen, sind im vergangenen Jahr ungefähr drei von vier Kästen Bier der großen nationalen Marken, wie Bitburger, Beck’s oder Warsteiner, (72,1 Prozent) im Sonderangebot für durchschnittlich 10,11 Euro erhältlich gewesen – also für 1,01 Euro pro Liter. Doch im Süden der Republik gibt der Biertrinker lieber mehr aus für teurere heimische Brauprodukte – in Baden-Württemberg bis zu 1,48 Euro pro Liter, in Bayern bis zu 1,49 Euro pro Liter.
Egal ob Meckatzer Löwenbräu (Heimenkirch, Landkreis Lindau), Berg Brauerei Ulrich Zimmermann (Ehingen, Alb-Donau-Kreis) oder Brauerei Max Leibinger (Ravensburg, Landkreis Ravensburg), die Linie ist klar: keine Sonderangebote, keine Rabattaktionen. Das Bier aus diesen mittelständischen und regionalen Brauereien kostet, was es kostet.
Das hat seine Gründe: „Preisnachlässe stiften Unruhe“, sagt Michael Weiß, Geschäftsführer bei Meckatzer. „Wir müssen wertschöpfend ausgerichtet sein“, sagt Michael Leibinger, geschäftsführender Gesellschafter der Brauerei und gehört zur vierten Generation der Familie Leibinger. Ulrich Zimmermann, Geschäftsführer der Berg Brauerei, sagt, man zahle beispielsweise für Braugerste „einen verlässlich hohen Preis, der deutlich über dem Marktwert liegt“. Auch Max Leibinger möchte für Hopfen und Malz „einen fairen, auskömmlichen Preis bezahlen“, aber man könne sich nicht an dem „ruinösen Verdrängungswettbewerb der Großbrauereien beteiligen, um am Markt zu bestehen“.
Der deutsche Biermarkt mit seinen aktuell 7,25 Milliarden Euro Umsatz (2016: minus 1,7 Prozent) ist hart umkämpft. Der sinkende Bierkonsum verschärft die Situation. Seit den 1990er-Jahren haben die Brauereien rund 30 Prozent weniger abgesetzt. Aber die regionalen Brauereien konnten sich behaupten. Leibinger hat eigenen Angaben nach im Bereich der Gastronomie und des Handels zugelegt – genaue Angaben zu Umsatz und produzierten Hektolitern werden nicht gemacht. Auch die Berg Brauerei gibt sich zurückhaltend und teilt mit: „Wir wachsen seit 25 Jahren wieder. Vorher ging es uns über zehn Jahre nicht gut.“Meckatzer beschränkt sich ebenfalls darauf, eine „leichte Steigerung des Umsatzes“zu kommunizieren und gibt die produzierte Menge für 2016 mit 180 000 Hektolitern an.
Der Markt teilt sich laut Leibinger auf in große Brauereikonzerne und den Mittelstand. „Der Mittelstand ist wehrhaft“, gibt sich Meckatzer-Chef Weiß selbstbewusst und fügt hinzu, „es ist mir fast Wurst, was die nationalen Brauereien machen.“Doch das war nicht immer so. Als Warsteiner und Co. Mitte der 1970er-Jahre das Bier mit dem Pils „aus der Schmuddelecke“geholt haben, dachte Weiss, „die spinnen, die Preußen“. Als dann das exorbitante Wachstum der sogenannten Fernsehbrauereien – stark getrieben durch die Werbung – einsetzte, habe man sich schon Sorgen gemacht, vom Markt verdrängt zu werden. Die Großen diktierten den Preis, die Kleinen hielten einen „Respekt-Abstand“ein, so Weiß.
Damals hätten die Großbrauereien alles richtig gemacht, aber heute „verstoßen sie gegen die Prinzipien, die die Marken groß gemacht haben“, sagt Weiß. Als der Preiskampf einsetzte musste er irgendwann entscheiden, sein Bier teurer als die nationalen Marken zu machen. „Damals bin ich gewarnt worden, aber wir hatten den Mut.“Die anderen mittelständischen Brauereien in der Region hätten mitgezogen mit der Folge, dass heute der Süden Deutschlands die höchsten Bierpreise hat. Mitgetragen hat diese Entwicklung auch der Verbraucher, der Hell- und Spezialbiere (Keller-, Land-, Festbiere, naturtrübe Radler und alkoholfreie Biere) der heimischen Brauer vorzieht. Die Spezialbiere verzeichneten deutschlandweit laut GfK 2016 ein Umsatzplus von 8,1 Prozent.
Zimmermann, Leibinger und Weiß jedenfalls sehen die Zukunft positiv; sie vertrauen auf ihre Biere, auf ihre Heimat.