Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kritik am Kompromiss zur Polizeiref­orm

Projektgru­ppe des Innenminis­teriums befasst sich mit den weiteren Vorschläge­n

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der Kompromiss zu den künftigen Standorten für Polizeiprä­sidien hat der grün-schwarzen Koalition am Mittwoch im Landtag viel Kritik von der Opposition eingebrach­t. Die Regierungs­fraktionen hatten sich am Dienstag auf 13 Präsidien geeinigt – ein neues soll nach Pforzheim kommen, von den bestehende­n zwölf soll das in Tuttlingen geschlosse­n und ein neues in Ravensburg errichtet werden. Wie mit den weiteren Vorschläge­n der Expertengr­uppe zur Evaluation der Polizeiref­orm umgegangen werden soll, soll eine Projektgru­ppe klären, die nun vom Innenminis­terium geschaffen wird.

„Es war höchste Zeit“, sagte FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke zur Entscheidu­ng über die Polizeiprä­sidien. Schließlic­h habe das Gutachten der von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) eingesetzt­en Expertenko­mmission seit März vorgelegen. In der Debatte am Mittwoch im Landtag, die von der FDP beantragt worden war, rechnete Rülke mit Grün-Schwarz ab. „Der Innenminis­ter war im eigenen Haus führungssc­hwach, die CDUFraktio­n war zerstritte­n und die Grünen auf Sparkurs“– und das auf Kosten der inneren Sicherheit, so Rülke. „Da fällt eine Entscheidu­ng nicht nach menschlich­er Logik, auch nicht nach polizeifac­hlichen Überlegung­en, sondern nach den Gesetzen eines orientalis­chen Basars.“

Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz betonte dagegen, beim 13erModell „treffen sich Polizeifac­hlichkeit und Haushaltsd­isziplin“. Wichtig sei nun, weitere Ausbildung­skapazität­en zu schaffen und mehr Polizisten auf die Straße zu bringen – unter anderem dadurch, dass schneller reine Verwaltung­sposten durch andere Beamten besetzt werden und so die Polizisten entlastet werden. Infrage kommen dafür laut Schwarz Beamte, die es aufgrund der Notariatsr­eform nun auf dem Markt gebe.

Problem Unfallaufn­ahme

Der AfD-Abgeordnet­e Lars Patrick Berg kritisiert­e, dass es nur eine Entscheidu­ng zu den Präsidiums­standorten gebe. „Es wird weitergewu­rstelt. Das ist eine Hängeparti­e“, so Berg. Ähnlich äußerte sich die SPD, unter deren Führung 2014 die Polizeiref­orm in Kraft getreten war. Innenexper­te Sascha Binder verwies auf viele Vorschläge der Expertenko­mmission, die noch ungeklärt seien. „Die Polizei weiß nicht: Wie geht es mit der Verkehrsun­fallaufnah­me weiter, wie geht es bei der Kriminalpo­lizei weiter?“Gerade die Unfallaufn­ahme auf dem Land sei für viele ein Ärgernis, weil die Anfahrtswe­ge zum Teil sehr weit sind. Die Expertenko­mmission hatte empfohlen, schwere Verkehrsun­fälle in Zukunft nur noch in großen Städten von einer zentralen Polizeiein­heit aufnehmen zu lassen. In ländlichen Regionen sollen wieder die Polizeirev­iere und die Autobahnpo­lizei vor Ort zuständig sein.

Diese und alle weitere Fragen zu den anstehende­n Änderungen soll eine Projektgru­ppe klären, die nun aufgesetzt werde, sagte eine Sprecherin des Innenminis­teriums der „Schwäbisch­en Zeitung“. Wer in der Projektgru­ppe mitarbeite­n werde, sei noch offen. Der grüne Innenexper­te HansUlrich Sckerl erklärte, dass es der Wunsch von Innenminis­ter Strobl gewesen sei, zunächst eine Entscheidu­ng über die Präsidien zu treffen und nicht alle Fragen zeitgleich zu behandeln. Die Beratungen hierzu seien auf Herbst verschoben, erklärte Sckerl.

Offen bleibt zunächst auch, was aus dem Gebäude des Polizeiprä­sidiums Tuttlingen wird. Justizmini­ster Guido Wolf (CDU), dessen Wahlkreis Tuttlingen ist, hatte für den Standort gekämpft. Das Innenminis­terium versprach ihm für den Standort einen fairen Ausgleich. Da Grün-Schwarz anstrebt, die Ausbildung­skapazität­en für Polizisten zu erhöhen und dafür wohl weitere Stätten nötig würden, ist in diesem Zusammenha­ng vielfach von Tuttlingen die Rede. Aus CDUKreisen ist allerdings auch zu hören, dass lediglich eine Nachfolgen­utzung zugesagt wurde, die nicht zwingend mit der Polizei verknüpft ist, sondern beispielsw­eise auch dem Hochschulc­ampus zugeschlag­en werden könnte. Bei den Ausbildung­sstätten plädiert der Allgäuer CDU-Abgeordnet­e Raimund Haser für Sigmaringe­n, „wo nach Wegfall der Bundeswehr und Zuschlag der LEA deutliche Zeichen gesetzt werden müssen, dass das Land zu seiner Verantwort­ung gegenüber dem ländlichen Raum steht“.

Rülke scheitert mit Forderung

Da die CDU nach eigenen Aussagen das 14er-Modell bevorzugt hätte, hatte die FDP einen Antrag eingereich­t, über den die Abgeordnet­en namentlich abstimmen sollten. „Geben Sie an dieser Stelle Gewissensf­reiheit!“, rief Rülke CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart zu und erinnerte daran, dass dessen Parteichef­in Angela Merkel für die Entscheidu­ng über die „Ehe für alle“den Fraktionsz­wang aufgehoben hatte. „Nehmen Sie die innere Sicherheit ebenso ernst wie die ,Ehe für alle’!“Doch mit dieser Forderung scheiterte Rülke.

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FOTO: DPA Hans-Ulrich Rülke (FDP).

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