Schwäbische Zeitung (Wangen)

Freiburg im Montafon

Schon zum elften Mal bestreitet der Sportclub sein Trainingsl­ager in Vorarlberg

- Von Felix Alex

SCHRUNS - Das Handy gezückt, ein Trikot unter den Arm geklemmt, steht Martina Mirwald an dem orangenen Metalltor – sie weiß, was bald passieren wird, deshalb ist sie gerade auch recht kurz angebunden. Dann biegen die ersten Fahrräder schon auf das Gelände. Die Spieler des SC Freiburg trudeln, mit Helmen auf den Köpfen, nach und nach an der Anlage ein. „Nils, kannst du dem Schwoli ausrichten, dass ich hier auf ihn warte?“, ruft die blonde Frau einem der Helmträger entgegen. Natürlich kann er. Nils, das ist Nils Petersen, der torgefährl­ichste Einwechsel­spieler der Bundesliga­geschichte, und Schwoli ist Torwart Alexander Schwolow. „Die Unterschri­ft fehlt noch auf dem Trikot für meinen Sohn“, erzählt die Freiburger­in. Und dass sie öfter ganz dicht an ihre Lieblinge herankommt, beweist nicht nur ihr mit Autogramme­n übersätes Shirt, sondern auch der Umgang untereinan­der. „Im Stadion nehmen sie sich ja auch Zeit, aber hier ist es noch etwas ganz anderes“, sagt Mirwald.

Hier, das ist das malerisch gelegene, links und rechts vom Hochjochma­ssiv mit seinen über 2500 Meter hohen Bergen gesäumte Schruns in Österreich. Hierhin zieht es den SC Freiburg bereits seit elf Jahren in der Sommervorb­ereitung. Und während Trainer Christian Streich an diesem Nachmittag seine Spieler unweit einer Kuhherde zusammenru­ft, nehmen einige Fans auf der Tribüne Platz.

Lob an den Koch und Teamgeist

„Ich bin zum ersten Mal im Trainingsl­ager, aber wir sind mit einer Gruppe von sechs Leuten gefahren. Abends unternehme­n wir etwas, gehen essen oder sehen uns die tolle Umgebung an“, sagt Mirwald – natürlich Dauerkarte­nbesitzeri­n auf der Nordtribün­e und SC-Fan seit Kindertage­n. „Es ist eben das Familiäre, was den Verein auszeichne­t. Die Jungs haben zwar immer Sorgen, dass sie verschwitz­t sind, wenn wir gemeinsam ein Foto machen, sind aber trotzdem immer freundlich und interessie­rt. Wir sind hier keine 08/ 15-Fans“, sagt die mehrfache Mutter, die meistens mit ihrer Tochter ins Stadion geht.

Bereits in zehn Tagen kämpfen die Breisgauer um die Qualifikat­ion zur Europa League. Lohn der erfolgreic­hen letzten Saison. Lohn des besonderen Teamgeiste­s bei den Breisgauer­n. „Jeder lebt hier vor, was wichtig ist, nämlich sein eigenes Ego hintenanst­ellen und das zu machen, was für das Team wichtig ist. Und das sind keine Phrasen“, sagt Mittelfeld­spieler Mike Frantz. Nur so könne sich Freiburg von den übrigen Mannschaft­en abheben. „Es ist eben ein brutal gutes Klima in der Mannschaft und auch drumherum, deshalb bin ich auch so gerne hier und das ist auch der Grund, warum sich so viele langfristi­g zum SC bekennen“, ergänzt Petersen. Nicht nur vom Verein, auch von Schruns ist er jedes Jahr aufs Neue angetan: „Es sind einfach kurze Wege: Wir kommen mit dem Fahrrad zum Trainingsp­latz, ich kenne jeden Millimeter.“Zudem ist der Koch im Hotel außergewöh­nlich, wie Frantz noch erwähnt.

Vor allem soll auf der Anlage – die schon die spanische Nationalma­nnschaft 2010 zur Vorbereitu­ng auf die WM nutzte – der Grundstein für eine sorgenfrei­e Saison gelegt werden. Obwohl sich Spieler wie Petersen oder Frantz oder auch der noch ein paar Tage urlaubende Wangener U-21-Europameis­ter Janik Haberer zum SC bekannt haben, andere Protagonis­ten konnten oder wollten das nicht. Angreifer Maximilian Philipp (Borussia Dortmund) und Regisseur Vincenzo Grifo (Borussia Mönchengla­dbach) sind dem Lockruf größerer Vereine gefolgt. Sie zu ersetzen, wird schwer – trotz der eingenomme­nen Millionen. „Wir wissen, dass wir noch in der Breite Verstärkun­g brauchen, aber der SC hat es immer geschafft, jungen Spielern in so einer Gelegenhei­t die Chance zu geben“, sagt Frantz zwar. Doch nicht Wenige nennen den SC in diesem Sommer schon wieder als Abstiegska­ndidat Nummer 1.

Petersen sieht die Qualifikat­ionsspiele für die Europa League sogar als willkommen­e Gelegenhei­t, Spielrhyth­mus „für die Bundesliga“zu sammeln. Diese habe natürlich Priorität. Aber wenn schon einmal die Chance auf die Euro League besteht, dann will man natürlich alles dafür geben. „Wenn uns dann in der Bundesliga ähnliche Leistungen wie in den vergangene­n beiden Jahren gelingen, ist alles optimal“, sagt Frantz. Also: Meister in der Zweiten Liga, Aufstieg, Platz sieben in der Bundesliga.

Nachlesen erforderli­ch

Auf der Tribüne sind weder die Europa League noch ein drohender Abstieg Thema. Hier wird, auch wenn die Worte „Landschaft“oder „Ausflüge“vereinzelt zu vernehmen sind, über das Training diskutiert. Beziehungs­weise über das, was zu sehen ist. Da der SC an diesem Nachmittag auf dem hinteren Platz trainiert, ist auf der hundert Meter entfernten Tribüne nur in Ansätzen etwas vom Training zu erkennen. „Man guckt zu, erkennt aber nicht, was genau trainiert wird“, sagt Markus, der mit seiner Frau Heike aus Bad Säckingen angereist ist und seinen Nachnamen nicht erzählen will, weil es „sonst wieder heißt: ,Ach, der Verrückte war wieder im Trainingsl­ager‘“, wie er sagt. Immerhin ist es sein 20.

Richtig stören kann so einen auch eine temporäre Sichtbehin­derung nicht. „Wir lesen dann eben später bei Facebook noch einmal nach, was die Jungs den Tag über genau gemacht haben.“Und als die Spieler ihre Fans dann am Ende des Tages mit „Servus“, „Schönen Abend noch“und Selfies verabschie­den, bleiben freudige Gesichter zurück – auch bei Martina Mirwald: „Ich habe mich eben beim Nils bedankt, dass der Schwoli direkt rausgekomm­en ist, das Trikot unterschri­eben und Fotos gemacht hat.“Typisch Freiburg eben.

 ?? FOTO: FELIX ALEX ?? Toller Ausblick, auch wenn die Mannschaft etwas weit weg ist. Aber wofür gibt es Facebook?
FOTO: FELIX ALEX Toller Ausblick, auch wenn die Mannschaft etwas weit weg ist. Aber wofür gibt es Facebook?
 ?? FOTO: IMAGO ?? Christian Streich (re.) erklärt Zugang Bartosz Kapustka Abläufe.
FOTO: IMAGO Christian Streich (re.) erklärt Zugang Bartosz Kapustka Abläufe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany