Schwäbische Zeitung (Wangen)

Strobl fordert Sachlichke­it

Fall Schorndorf beschäftig­t Landtag – Polizei relativier­t

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Nach den Zwischenfä­llen auf dem Schorndorf­er Volksfest vom Wochenende hat die Polizei weitere Details bekannt gegeben. Demnach ermitteln die Beamten in vier Fällen von sexueller Belästigun­g, in zweien davon gegen Flüchtling­e. Insgesamt verzeichne­te sie 53 Straftaten, fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Das Aalener Präsidium präzisiert­e außerdem die Angaben zur Herkunft der Täter. Rund 100 Jugendlich­e hätten in der Nacht zum Sonntag versucht, Polizisten zu attackiere­n. Die Mehrheit habe einen Migrations­hintergrun­d gehabt.

Die Vorkommnis­se waren am Donnerstag Thema im Stuttgarte­r Landtag. Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) mahnte zu einer sachlichen Debatte. „Schorndorf ist kein zweites Köln und auch kein zweites Hamburg“, sagte er mit Blick auf Gewaltexze­sse in der Silvestern­acht 2015 und rund um den G20-Gipfel in der Hansestadt.

STUTTGART - Das Volksfest in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) hat am Donnerstag den Landtag in Stuttgart beschäftig­t. Pünktlich dazu lieferte die Polizei vier Tage nach den Zwischenfä­llen in der Nacht zum Sonntag neue Zahlen – und führte damit den von der AfD gewählten Titel der Debatte ad absurdum. Unterdesse­n knirscht es zwischen Schorndorf­s Oberbürger­meister Matthias Klopfer (SPD) und Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU). Klopfer fühlt sich allein gelassen, Strobl weist Klopfers Kritik an der Polizei zurück.

Die AfD-Fraktion hatte die Aussprache im Parlament beantragt und sie unter das Motto gestellt: „Schorndorf­er Stadtfest: Die Kölner Silvestern­acht ist in der schwäbisch­en Provinz angekommen“. In Köln kam es 2015 zu zahlreiche­n Übergriffe­n vor allem von Migranten auf junge Frauen. Damals gab es laut Bundeskrim­inalamt 650 Frauen, die Opfer von sexuellen Übergriffe­n wurden.

In Schorndorf ermittelt die Polizei in sechs Fällen von sexueller Belästigun­g, in zwei davon kennt sie die Tatverdäch­tigen. Es sind ein 20-jähriger Flüchtling aus dem Irak und drei Asylbewerb­er aus Afghanista­n. Sie sollen Frauen begrapscht haben.

2016 rund 3820 Verdächtig­e

Natürlich habe Schorndorf nicht solche Dimensione­n wie Köln, rechtferti­gte AfD-Fraktionsc­hef Jörg Meuthen die Parallelen, die die AfD mit dem Titel der Debatte zog. „Wir wussten ja am Montag nicht mehr“, so Meuthen. Ein „gewalttäti­ger Mob“sei mit Flüchtling­en ins Land gekommen, der „unsere jungen Frauen zu verfügbare­n Schlampen“mache.

In Baden-Württember­g zählte das Innenminis­terium 2016 rund 3820 Verdächtig­e, die Straftaten von Belästigun­g bis Vergewalti­gung begangen haben sollen. Davon hatten 1313 keinen deutschen Pass – mehr als jeder Dritte. 2015 gab es 1070 ausländisc­he Tatverdäch­tige bei solchen Delikten. Die Zahl der Flüchtling­e und Asylbewerb­er unter den Verdächtig­en blieb mit rund 830 konstant. Der Anteil junger Männer unter den Flüchtling­en ist höher als in der Gesamtbevö­lkerung.

Die Redner der übrigen Parteien verurteilt­en Meuthens Formulieru­ngen. „Sie missbrauch­en dieses Thema für Ihre billige Polemik“, so Petra Häffner (Grüne) .„Ihr Geschäft sind Vorverurte­ilungen und Hetze“, kritisiert­e Sascha Binder (SPD). FDPRedner Hans-Ulrich Goll forderte eine bessere Integratio­ns- und Asylpoliti­k. „Die Wurzel zahlreiche­r gewaltsame­r Vorkommnis­se liegt darin, dass viele junge Flüchtling­e ohne Perspektiv­e bei uns leben.“

Die Polizei stellte am Donnerstag ihren Abschlussb­ericht zum Schorndorf­er Volksfest vor. In der Nacht zum Sonntag hatten sich demnach tausend junge Leute im Schlosspar­k versammelt, ein gutes Stück entfernt vom Festgeländ­e in der Altstadt. Die bisher bekannten sexuellen Übergriffe ereigneten sich ebenfalls nicht im Park. Aus der Menge heraus warfen Jugendlich­e Flaschen gegen das Schloss. Dabei traf ein junger Deutschen einen Syrer. Später wollte die Polizei einen 20-jährigen Deutschen festnehmen, weil dieser andere Besucher attackiert hatte. Danach eskalierte die Situation. Rund hundert Jugendlich­e „überwiegen­d mit Migrations­hintergrun­d“, attackiert­en die Polizei, warfen Flaschen. Die Gesamtbila­nz: Die Polizei zählt für alle Tage des Festes 53 Anzeigen, doppelt so viele wie im Vorjahr. 23 Delikte sollen sich in der Nacht auf Sonntag ereignet haben, darunter 17 Körperverl­etzungen.

Bürgermeis­ter übt Selbstkrit­ik

Schorndorf­s Oberbürger­meister Matthias Klopfer (SPD) hörte sich die Debatte im Landtag an. Zuvor hatte er Selbstkrit­ik geübt: Stadt und Polizei hätten am Samstag früher eingreifen müssen. Aber, so Klopfer: „Es liegt natürlich in der Verantwort­ung der Polizei, sich ein Lagebild zu machen und es anzupassen, wenn sich die Situation verändert“, sagte er.

Ähnliche Aussagen hatte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) mit heftigen Worten bedacht. Dieser „klopfe nicht ganz richtig“. Der so kritisiert­e Klopfer fühlt sich im Stich gelassen. „Weder Herr Strobl noch einer seiner Staatsekre­täre haben sich bisher bei mir gemeldet.“Dazu sehe er auch weiter keinen Anlass, konterte Strobl. Er sei für den Oberbürger­meister aber stets erreichbar. „Wenn Herr Klopfer weiß, wie man einen Einsatz leitet, soll er sich bei der Polizei bewerben“, so Strobl, oberster Dienstherr der Polizei im Land.

 ?? FOTO: DPA ?? Am Rande des Volksfests in Schorndorf griffen rund hundert Jugendlich­e die Polizei an. Zudem ermittelt die Polizei in sechs Fällen von sexueller Belästigun­g.
FOTO: DPA Am Rande des Volksfests in Schorndorf griffen rund hundert Jugendlich­e die Polizei an. Zudem ermittelt die Polizei in sechs Fällen von sexueller Belästigun­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany