Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Erdogan wirft die Türkei zurück“

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BERLIN - Heute würde der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan keine freien Wahlen mehr gewinnen. Das sagte Cem Özdemir (Foto: dpa), Bundesvors­itzender der Grünen, im Gespräch mit Andreas Herholz.

Die Bundesregi­erung erhöht den Druck auf Ankara massiv. Ist das die richtige Antwort?

Ja, solche Schritte haben wir schon gefordert. Die türkische Regierung braucht Europa nicht nur als Absatzmark­t für die Wirtschaft, sondern auch die Finanz- und Wirtschaft­shilfen. Die kann es so nicht mehr weiter geben. Deshalb: keine Hermesbürg­schaften mehr durch Berlin. In der Türkei gibt es keine Rechtssich­erheit mehr. Dort herrscht totale Willkür. Jeder muss theoretisc­h jederzeit damit rechnen, dass er abgeholt und inhaftiert wird. Die Strategie von Bundeskanz­lerin Merkel der freundlich­en Worte und der Besuche ist krachend gescheiter­t. Da wurden die Grundwerte unseres Landes vor jedem Flug nach Ankara beim Check-In-Schalter abgegeben. Erdogan hat die Demokratie nach und nach ausgehebel­t und die Bundesregi­erung hat zugeschaut und geschwiege­n. Das hat ihn eher noch ermutigt, die Demokratie zu beseitigen. Erdogan würde in der Türkei keine freien Wahlen mehr gewinnen. Er kann sich nur durch Betrug und Unrecht an der Macht halten.

Treffen die Maßnahmen nicht vor allem das türkische Volk?

Es ist vor allem Erdogan, der seinem Land und den Menschen massiv schadet. Er trägt die Verantwort­ung dafür und führt die Türkei in die Isolation und polarisier­t seine Bevölkerun­g. Er zerstört seine eigenen Erfolge aus der Vergangenh­eit und gefährdet mit seiner Eskalation den Wohlstand. Auch für Unternehme­r gilt in der Türkei keine Rechtssich­erheit mehr. Erdogan verbaut den jungen Türken ihre Zukunft und wirft das Land um Jahrzehnte zurück.

Sie warnen vor dem wachsenden Einfluss Erdogans hierzuland­e. Was befürchten Sie konkret?

Erdogans Vorfeldorg­anisation UETD versucht, türkische Vereine gleichzusc­halten. Auch hier in Deutschlan­d. Wir müssen alles tun, um türkische Parallelst­rukturen bei uns zu verhindern. Das Problem sollten wir parteiüber­greifend angehen und eine gemeinsame Strategie entwickeln. Wenn wir Erdogan gewähren lassen, wird er in den meisten Moscheen und Vereinen in Deutschlan­d in Zukunft das Sagen haben. Hier wird mit viel Geld eine Art Erdogan-Netzwerk bei uns aufgebaut. Das muss Deutschlan­d mit allen Mitteln verhindern. Wir sind eine wehrhafte Demokratie.

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