Schwäbische Zeitung (Wangen)

Toni Hofreiter plädiert für E-Mobilität

In Vogt warnt der grüne Bundespoli­tiker vor der fortschrei­tenden Klimakatas­trophe

- Von Sibylle Emmrich

VOGT - Mit bundespoli­tischen Schwergewi­chten starten die Grünen im Wahlkreis Ravensburg mit ihrer Bundestags­abgeordnet­en und neuerliche­n Kandidatin Agnieszka Brugger in den Wahlkampf für die Wahl am 24. September. Nach Claudia Roth am Sonntag in der Zehntscheu­er in Ravensburg ging am Mittwoch Anton Hofreiter, der Vorsitzend­e der grünen Bundestags­fraktion, im „Adler“in Vogt in die Vollen. An diesem heißen Sommeraben­d füllten schätzungs­weise rund 120 Zuhörer den Saal. Und das, was Hofreiter von seiner erst vor kurzem absolviert­en Arktis-Reise mit Klimawisse­nschaftler­n zu berichten hatte, sorgte auch nicht für Abkühlung im Saal.

Der „liebe Toni“– wie ihn Agnieszka Brugger und die Kreisverba­ndsvorsitz­ende Carmen Kremer vorstellte­n – ist Naturwisse­nschaftler, studierter Chemiker, promoviert­er Biologe. Das kam zum Tragen, als er am Rednerpult, anfangs durchaus leise, von seiner Reise ins ewige Eis auf Grönland berichtete. Kundig erklärte er, was sich an den Bohrkernen aus bis zu 2500 Meter mächtigen Eisschicht­en ablesen lässt und was passiert, wenn nach und nach die Gletscher weltweit und die dicken Eiskappen von Arktis und Antarktis schmelzen. Der vor kurzem in der Antarktis abgebroche­ne riesige Eisberg sei ein Menetekel, ergänzte Brugger.

Schon bald brach sich der leidenscha­ftliche Politiker in dem GrünenUrge­stein aus Bayern Bahn; das Jackett hängte Hofreiter über die Stuhllehne, das Hemd war nach seiner knapp einstündig­en Rede durchgesch­witzt. Sein Postulat: „Die Lage ist deutlich dramatisch­er als bisher gedacht“– und habe sich im Handeln von Politik und Gesellscha­ft noch kaum durchgeset­zt. Wenn der Anstieg der Erderwärmu­ng und damit des Meeresspie­gels so weitergehe, dann drohe Undenkbare­s; Holland, Hamburg, Bremen könnten in wenigen Jahrzehnte­n zu den Evakuierun­gsgebieten zählen. In Anleihen an seine umjubelte Rede beim Grünen-Bundespart­eitag am 17. Juni in Berlin konzentrie­rte sich Hofreiter bei den dringenden Maßnahmen zum Klimaschut­z auf die fossilen Energien Kohl, Öl, Erdgas – und deren baldiges Ende. Das Aus für die Atomkraft schien so selbstvers­tändlich, dass davon kaum noch die Rede war.

Erfolgreic­hes und auch ökonomisch vernünftig­es Gegensteue­rn ist möglich, machte Hofreiter Mut: konsequent­er Kohleausst­ieg, weiterer Ausbau der Erneuerbar­en Energien und beschleuni­gter Ausstieg aus Verbrennun­gsmotoren. Ohne Namen zu nennen – weder Trump, noch Merkel und auch nicht Kretschman­n – plädierte Hofreiter für klare Vorgaben zur Elektromob­ilität.

Forderung: „Der Autoindust­rie Vorgaben machen“

Deutschlan­d könne hier zum Vorreiter werden, so wie mit der „technologi­schen Erfolgssto­ry“bei Windkraft, Photovolta­ik und – so ergänzte er auf Nachfrage in der anschließe­nden Diskussion – auch mit sinnvollem Einsatz von Biomasse.

„Wenn wir die Klimakatas­trophe noch irgendwie in den Griff bekommen wollen, müssen wir bis zum Jahr 2050 abgasfrei sein“, postuliert­e er. Und dafür müsse man der deutschen Autoindust­rie jetzt klare Vorgaben machen, denn das ehrgeizige Ziel einer Mobilität ohne das Verbrennen fossiler Energien sei frühestens in „2,5 Entwicklun­gszyklen“zu schaffen. „2030 muss Schluss sein mit der Produktion alter Verbrennun­gsmotoren“– und darüber, so Hofreiter ironisch, diskutiere man innerhalb der Grünen auch mit „dem lieben Winfried“. Das sei auch ökonomisch überlebens­wichtig. Denn entweder baue die deutsche Automobili­ndustrie immissions­freie Autos – oder sie baue gar keine mehr. Dafür sorge schon die globale Konkurrenz.

Auffällig war, dass Hofreiter irgendwelc­he moralische­n Appelle an das Konsumverh­alten des Einzelnen unterließ. Da hat wohl der empörte öffentlich­e Aufschrei auf die Grünen-Forderung nach einem „Veggie Day“nachhaltig gewirkt. Zu Verhaltens­regeln ließ er sich auch in der anschließe­nden lebhaften Diskussion nicht hinreißen, auch nicht, als die Problemati­k des zunehmende­n Flugverkeh­rs und der diesbezügl­ich sehr reisefreud­igen Grünen-Klientel zur Sprache kam.

Fahrverbot­e für Diesel? – Bei dieser aktuellen Frage verwies Hofreiter auf das fehlende Handeln der Bundesregi­erung und die Stuttgarte­r Linie: Blaue Plakette und Nachrüsten – „und das soll die Autoindust­rie zahlen“, die habe schließlic­h mit bewusstem Betrug den ganzen AbgasSchla­massel angerichte­t. Kurz nach 21 Uhr bat Hofreiter um den Schlusspun­kt: „Ich würd’ hier gern noch was essen“. Die Bio-Küche im Adler schien dem bekennende­n Genießer aus Bayern durchaus ein Begriff zu sein.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Bucks Bio-Bienen beim Bau einer Wabe fasziniert­en die Grüne Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger und ihren Fraktionsv­orsitzende­n Anton Hofreiter bei ihrem Besuch in Vogt. Hofreiter sprach am Mittwochab­end im Adler in Vogt.
FOTO: PRIVAT Bucks Bio-Bienen beim Bau einer Wabe fasziniert­en die Grüne Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger und ihren Fraktionsv­orsitzende­n Anton Hofreiter bei ihrem Besuch in Vogt. Hofreiter sprach am Mittwochab­end im Adler in Vogt.

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