Arbeit im Ausland als Karriereturbo
Ingenieure sind oft weltweit im Einsatz und profitieren davon – Dennoch ist ein Rückkehrplan wichtig
In der Ferne leben und arbeiten, fremde Länder entdecken und Geld verdienen – für viele Ingenieure klingt das verlockend. Doch was bringt der Auslandsaufenthalt ihnen wirklich? Und was müssen sie dabei beachten?
Dass Detlef Holtz für ein Interview im norddeutschen Maschen zur Verfügung steht, ist fast ein Wunder. Mindestens aber ist es ein glücklicher Zufall. Denn der Ingenieur, der als Inbetriebnehmer für Dampfturbinen arbeitet, ist seit Jahren auf der ganzen Welt zu Hause und aktuell zum ersten Mal in Europa tätig.
„Abgesehen von der Antarktis war ich schon auf allen Kontinenten“, erzählt Holtz. Australien, Indien, Taiwan, USA, Oman – das sind nur ein paar der Staaten, in denen er gelebt und gearbeitet hat. Detlef Holtz arbeitet für ein kleines deutsches Ingenieurbüro, das ihn regelmäßig für Projekte weltweit ausleiht. Mal sind es acht Monate, mal drei Jahre in der Ferne. Und immer ist es ein Abenteuer. „Meiner Meinung nach sollte jeder, der reisen darf – ob beruflich oder privat – es so lange wie möglich tun“, schwärmt Detlef Holtz. Denn es gebe viel zu sehen: „Man entwickelt seine Persönlichkeit weiter, lernt mit Menschen umzugehen und entdeckt die Länder häufig ganz anders, als sie touristisch dargestellt werden.“
Längst weiß der Ingenieur, wie er sich am besten auf den nächsten Auslandsaufenthalt vorbereitet: „Ich schaue mir an, in welcher Gegend des Landes ich arbeite und welche Sprache dort gesprochen wird.“Immer im Gepäck: Ein internationales Bilderwörterbuch und ein zweiter Reisepass. „Bei vielen Industrieanlagen muss man an bei der Einfahrt seinen Pass abgeben“, erklärt Holtz. „Ich würde niemals freiwillig meinen Pass mit Visum und Stempel aus der Hand geben, sondern immer den Zweitpass.“Außerdem empfiehlt er, vor Reiseantritt zu klären, wie es um die Gesundheitsversorgung im jeweiligen Land bestellt ist.
Lars Funk vom Verein Deutscher Ingenieure weiß: „Sehr häufig ist der Auslandsaufenthalt ein Karriereturbo.“Insbesondere in großen, international tätigen Unternehmen gehörten Auslandserfahrungen zum Standard, um auf der Karriereleiter weiter nach oben zu steigen. „Der entscheidende Punkt ist, sich in einer anderen Kultur zurechtzufinden, sich darauf eingelassen und andere Perspektiven kennengelernt zu haben“, erklärt Funk. „Das sind die Skills, die Firmen schätzen.“
Rahmenbedingungen müssen eindeutig geklärt sein
Schwieriger als der Auslandsaufenthalt selbst gestaltet sich manchmal die Rückkehr nach Deutschland, gibt Funk jedoch zu bedenken. Er empfiehlt deshalb, „die Modalitäten des Auslandsaufenthalts und vor allem die Rückkehr schon vorab glasklar zu besprechen.“Sind die Rahmenbedingungen des Auslandsaufenthalts nicht eindeutig geregelt, werden aus einem Jahr ungeplant schnell zwei, drei oder mehr Jahre.
Vor allem auch Ingenieuren, die auf eigene Faust im Ausland arbeiten wollen, empfiehlt Funk einen Rückkehrplan. Wichtig dabei: „Man sollte sich von Anfang an überlegen, wie man in ein paar Jahren in den Bewerbungsprozess startet, wenn man zurück nach Deutschland will.“Denn Bewerbungsgespräche zum Beispiel lassen sich aus dem Ausland ungleich schwieriger organisieren als von daheim.
Auch deshalb rät der Experte schon möglichst früh eine Auslandsphase einzubauen, vorzugsweise während des Studiums: „Das erhöht die Jobaussichten auf jeden Fall. Aus unserer Sicht nehmen diese Chance viel zu wenig junge Menschen wahr.“
Auch Judith Schwellenbach vom International Office der FH Münster sieht in Auslandsaufenthalten eine große Chance für angehende Ingenieure. „Von denjenigen, die ein Auslandspraktikum absolvieren, haben immer welche die Möglichkeit, dort zu bleiben oder mit einem Jobangebot zurückzukommen.“Schwellenbach und ihre Kollegen der FH Münster vergeben Stipendien für Praktika und Auslandsprojekte weltweit. Als besonders wichtig erachtet sie auch die Sicherheit der Studierenden. Sie empfiehlt, Auslandskrankenversicherungen sowie eine Unfall- und Haftpflichtversicherung für den Aufenthalt in der Ferne abzuschließen.
Aktuell arbeitet die Hochschule zudem an einem Programm, mit dem Studierende ihre Abschlussarbeiten im Ausland schreiben und in einem anschließenden Traineeship praktische Berufserfahrungen sammeln. Besonders im Ingenieurberuf seien die fachlichen Anknüpfungspunkte häufig besser als beispielsweise für Studenten der sozialen Arbeit: Hier seien die Sprache und unterschiedliche Strukturen oft eine Hürde zur Weiterbeschäftigung. „Aber auch menschlich sehen wir, wie die Studierenden sich entwickeln, etwa ihr Durchsetzungsvermögen verbessern“, sagt Schwellenbach.
Sich weiterentwickeln, noch viele Länder und Kulturen entdecken, das möchte auch Detlef Holtz – immer noch. Als nächstes Ziel steht Polen auf seinem Reiseplan. Wann genau das neue Projekt beginnt, ist noch unklar. Aber die Koffer sind ja schnell gepackt. (dpa)