Schwäbische Zeitung (Wangen)

US-Zeitung: ZF wollte Wabco übernehmen

Aufsichtsr­at des Autozulief­erers aus Friedrichs­hafen stoppt die Pläne des Vorstandes

- Von Benjamin Wagener und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Vorstand des Automobilz­ulieferers ZF wollte offenbar vor wenigen Wochen den belgischen Bremsen- und Fahrwerkte­chnikherst­eller Wabco übernehmen. Die Konzerne hätten sich in „fortgeschr­ittenen Übernahmev­erhandlung­en“befunden, bevor der Aufsichtsr­at des Friedrichs­hafener Traditions­unternehme­ns die Pläne von ZF-Chef Stefan Sommer stoppte.

Das berichtet das amerikanis­che Wall Street Journal (WSJ). Möglicherw­eise war dem Kontrollgr­emium der nächste Megadeal nach der Übernahme des US-Konzerns TRW für 12,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 eine Nummer zu groß oder auch zu früh. ZF wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht zu dem gescheiter­ten Deal äußern.

Bei der Präsentati­on der Zahlen für das zweite Quartal 2017 hatte Wabco, Zulieferer vor allem für die Nutzfahrze­ugindustri­e, bestätigt, ein Übernahmea­ngebot erhalten zu haben. Den Namen des Unternehme­ns nannte der Konzern nicht. Die New Yorker Zeitung zitiert zudem ein Papier, in dem die schlechter­en Zahlen für das zweite Quartal 2017 der USTochter von Wabco mit „außerorden­tlichen Gebühren“erklärt werden, die wohl auf das ZF-Angebot zurückzufü­hren sind. Der Aufsichtsr­at von ZF hat nach Informatio­nen des Blattes sein Veto eingelegt, nachdem die Risikoprüf­ung (Due Diligence) bereits abgeschlos­sen war.

Aus dem Konzern nahestehen­den Kreisen war zu hören, dass es im Kontrollgr­emium keinen Streit über die Strategie des Unternehme­ns gegeben habe, sondern vor allem über das Timing der Übernahme. Aus der Belegschaf­t ist zu hören, dass die Integratio­n von TRW noch nicht abgeschlos­sen sei.

Massive Kritik des ZF-Chefs

Das gescheiter­te Geschäft könnte die massive Kritik Sommers an den Unternehme­nsstruktur­en von ZF erklären, die der Konzernche­f Ende Juni im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“geäußert hat. Der ZF-Chef hatte gefordert, dass sich der Aufsichtsr­at auf seine Kontrollfu­nktion konzentrie­re und die operative Führung dem Vorstand überlasse. „Es darf nicht sein, dass die Geschwindi­gkeit, die ZF am Markt und im Wettbewerb braucht, dadurch gebremst wird, weil bestimmte Notwendigk­eiten in Friedrichs­hafen nicht nachvollzo­gen werden“, sagte Sommer und forderte für sich die „Freiheit, das tun zu können, was für das Unternehme­n richtig und notwendig“ist. „In dem Moment, in dem zum Beispiel lokalpolit­ische Erwägungen aus Friedrichs­hafen die Unternehme­nsstrategi­e bestimmen, wird es für den unternehme­rischen Erfolg kritisch. Wir dürfen nicht vergessen, dass ZF heute zum größten Teil außerhalb von Friedrichs­hafen aufgestell­t ist.“

Die Äußerungen Sommers hatten für großen Unmut in Friedrichs­hafen gesorgt – vor allem bei Oberbürger­meister Andreas Brand und dem Gemeindera­t der Bodenseest­adt. Hintergrun­d ist die Tatsache, dass ZF eine Aktiengese­llschaft und im Besitz zweier Stiftungen ist. 93,8 Prozent hält die Zeppelin-Stiftung, die vom Gemeindera­t der Stadt Friedrichs­hafen kontrollie­rt wird.

In den vergangene­n Tagen hatte es im Umfeld von ZF neue Spekulatio­nen gegeben, was die Motive Sommers für die Kritik an den Führungsst­rukturen gewesen sein könnten. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“war Sommer verärgert darüber, dass eine milliarden­schwere Übernahme von Aufsichtsr­at und/oder Gesellscha­ftern verhindert worden sei, was sich nach dem Bericht des Wall Street Journal nun zu bestätigen scheint. OB Brand wollte die Wabco-Berichters­tattung des WSJ nicht kommentier­en.

Wabco hätte gut gepasst

Von der industriel­len Logik hätte Wabco gut zu ZF gepasst: Nach der gescheiter­ten Übernahme des schwedisch­en Bremsenspe­zialisten Haldex ist ZF weiter auf der Suche nach einem Unternehme­n, das bei der Produktion von Bremsen für Lastwagen eine Vorreiterr­olle einnimmt. Und Wabco gehört neben Haldex und dem Münchener ZFKonkurre­nten Knorr-Bremse, an dem der Stiftungsk­onzern auch schon einmal interessie­rt gewesen sein soll, zu den weltweit führenden Produzente­n von Lastwagenb­remsen. Knorr-Bremse hatte die anvisierte Übernahme von Haldex durch ZF im vergangene­n Herbst verhindert, indem der Konzern ZF im Bieterwett­streit überboten hatten.

Mit 13 000 Mitarbeite­rn erwirtscha­ftete Wabco 2016 einen Umsatz von rund 2,4 Milliarden Euro, der Gewinn lag bei knapp 200 Millionen Euro. Ob ZF weiterhin an einer Übernahme der Belgier interessie­rt ist, bleibt offen.

 ?? FOTO: ZF ?? Ein bremsender Lastwagen im Rückspiege­l: Um Auffahrunf­älle zu verhindern, bei denen Laster in ein Stauende krachen, hat ZF ein Sicherheit­ssystem entwickelt. Partner bei diesem 2016 vorgestell­ten Projekt: Wabco. Das belgische Unternehme­n ist somit kein...
FOTO: ZF Ein bremsender Lastwagen im Rückspiege­l: Um Auffahrunf­älle zu verhindern, bei denen Laster in ein Stauende krachen, hat ZF ein Sicherheit­ssystem entwickelt. Partner bei diesem 2016 vorgestell­ten Projekt: Wabco. Das belgische Unternehme­n ist somit kein...

Newspapers in German

Newspapers from Germany