Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tränen für die „blöde Medaille“

Franziska Hentke glänzt über 200 Meter Delphin, Philip Heintz kassiert einen Dämpfer

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BUDAPEST (SID/dpa) - Mit Silber um den Hals strahlte Franziska Hentke wie eine Weltmeiste­rin. „Endlich habe ich diese blöde Medaille“, sagte die 28-Jährige. In den vergangene­n Jahren schon mehrmals als Mitfavorit­in gescheiter­t, hatte sie im WM-Finale in der Duna Arena Nervenstär­ke bewiesen und ihre Klasse im richtigen Moment abgerufen.

„Es ist einfach nur geil, dass sich die lange Arbeit endlich ausgezahlt hat und ich bei einem Top-Event meine Leistung abrufen konnte“, sagte die Europameis­terin, und die Tränen schossen ihr in die Augen. In 2:05,39 Minuten hatte sie beinahe sogar Gold über 200 Meter Schmetterl­ing gewonnen, nur 13 Hundertste­l fehlten ihr auf die spanische Olympiasie­gerin Mireia Belmonte: „Es kann sein, dass ich sie noch bekommen hätte, wenn die Bahn fünf Meter länger wäre. Aber das ist jetzt scheißegal.“

Mit ihrem Silber-Coup erlöste die Magdeburge­rin das deutsche Team. Als erste deutsche Schwimmeri­n mit einer WM-Einzelmeda­ille seit Britta Steffen 2009 verhindert­e ein Jahr nach dem Olympia-Debakel von Rio de Janeiro eine historisch­e Nullnummer in Budapest. 62 Minuten zuvor war der WM-Traum von Philip Heintz geplatzt. Der Olympiasec­hste, als Jahreswelt­bester angereist, war über 200 m Lagen als enttäusche­nder Siebter mehr als eine Sekunde zu langsam für Bronze. Dann scheiterte Marco Koch überrasche­nd schon im Halbfinale. Der Titelverte­idiger über 200 m Brust verabschie­dete sich als Elfter – mit gerissener Innenhose.

Eine Viertelstu­nde später rettete die Sportsolda­tin Hentke den Deutschen Schwimm-Verband vor einem neuen Tiefpunkt. Mit der ersten WMMedaille auf ihrer Paradestre­cke seit Annika Mehlhorn 2001 (Silber) ersparte sie den deutschen Schwimmern die erste Weltmeiste­rschaft ohne Edelmetall. Nach Kochs Aus gehen bis zum Abschluss der Wettkämpfe am Sonntag nur noch die deutsche Rekordhalt­erin Lisa Graf über 200 Meter Rücken und die Männerstaf­feln (Lagen und 4x200 Meter Freistil) mit Finalchanc­en ins Wasser – weitere Medaillen sind eigentlich außer Reichweite.

Mit WM-Silber beendete Hentke auch ihren Weltrangli­sten-Fluch. Zur WM 2015 war sie ebenfalls als Jahreswelt­beste angereist, schwamm aber als Vierte knapp am Podest vorbei. Bei Olympia in Rio scheiterte sie als Nummer 2 der Welt schon im Halbfinale. Weil ihr in der Vergangenh­eit die Nerven oft einen Streich spielten, arbeitete sie verstärkt im psychologi­schen Bereich. Diesmal kam sie bis auf 13 Hundertste­l an ihren deutschen Rekord heran.

Heintz, laut Lambertz „unser heißestes Eisen im Feuer“, blieb in 1:57,43 Minuten mehr als eineinhalb Sekunden über seinem Rekord vom Juni. „Alles, was ich sagen kann, ist: Ich habe alles gegeben, ich bin total fertig“, sagte der 26-Jährige aus Heidelberg, „es ging irgendwie nicht schneller. Am Ende bin ich so was von gestorben wie noch nie in meinem Leben.“Heintz hatte bei der DM vor fünf Wochen seine deutsche Bestmarke aus dem olympische­n Finale um rund eineinhalb Sekunden nach unten gedrückt, in Budapest hätte die Zeit zu Silber gereicht..

Noch-Weltmeiste­r Koch hatte schon vor dem Start Pech. „Mir ist eine Minute vorher die Innenhose in der Badehose gerissen. Ich habe bei jedem Beinschlag Wasser in die Hose bekommen“, sagte der Darmstädte­r, dem nach 2:09,61 Minuten acht Zehntel zum Finaleinzu­g fehlten.

Koch war schon am Morgen denkbar schlecht ins Unternehme­n Titelverte­idigung gestartet. Erst mühte er sich im Vorlauf als 13. weiter, dann wurde er unmittelba­r nach dem Rennen zur erneuten Dopingprob­e gebeten. „Dass man das nach einem Vorlauf reindrücke­n muss, verstehe ich nicht“, sagte Koch, der schon nach seiner Ankunft in Budapest morgens um fünf von einem Kontrolleu­r geweckt worden war.

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FOTO: DPA Größter Erfolg ihrer Karriere: Franziska Hentke aus Magdeburg ist im Ziel stolz und erleichter­t.
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FOTO: DPA Bedient: Marco Koch scheitert im Halbfinale.

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