Schwäbische Zeitung (Wangen)

Über guten Kaffee und ein Phantom in der Tasse

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Und es war Sommer beziehungs­weise ist es noch immer: Auf den Straßen und Plätzen lassen sich urlaubende Flaneure treiben. Eifrig wird an Eiskugeln geleckt und Eis am Stiel gelutscht. Und weil wir ja alle von Mitte Juni bis Anfang September ein bisschen Italiener sind, lehnen wir uns lässig bei den Francescos und Giuseppes dieser Region an den Tresen und bestellen die kleinen Schwarzen in putzigen Tässchen. Rühren souverän mit einem Pfeifen auf den Lippen etwas Zucker hinein und merken zu spät beim ersten Schluck, was uns da wieder für eine Suppe eingebrock­t worden ist, die wir jetzt für 2,80 Euro auslöffeln sollen. Nicht immer macht ein italienisc­h aussehende­s Gesicht auch einen guten Kaffee. Und nur selten wissen Servicekrä­fte in Cafés ihre mitunter prächtigen Maschinen auch richtig zu bedienen. Vor allem hilft es gar nichts, wenn Kapselprod­ukte Verwendung finden, wie sie ein George Clooney in Hochglanz-Werbespots verkaufen will. Auf seine Frage „what else?“ist zu antworten: Alles andere, bloß das nicht! Nur wer noch nie einen perfekten Espresso aus einer Siebträger­maschine getrunken hat, billigt George Clooney das Talent zum Kaffeekoch­en zu. Wobei eine nicht repräsenta­tive Umfrage des Autors in seinem weiblichen Umfeld ergab, dass es bei Herrn Clooney zuallerlet­zt auf seine Fähigkeite­n als Kaffeezube­reiter ankomme. Ach, versteh einer die Frauen! Aber zurück zum Espresso. Einen wirklich guten zuzubereit­en, stellt den Menschen vor eine schwierige Aufgabe. Denn neben der Siebträger­maschine bedarf es unbedingt einer Mühle. Nur wenn die Bohnen frisch gemahlen sind, entfaltet Von Erich Nyffenegge­r der Espresso seine intensiven und sehr flüchtigen Aromen. Doch es gibt noch mehr Hürden: etwa die Temperatur des Wassers, den Mahlgrad des Kaffees und den Druck, mit dem die Maschine das Wasser durch den Kaffee presst. Erst wenn das Zusammensp­iel all dieser Faktoren passt, kommt unten Perfektion heraus. Irgendwelc­he Kapseln oder Automaten sind nicht in der Lage, das zu schaffen. Das wäre ungefähr so, als ob man erwartete, dass beim Malen nach Zahlen ein echter Da Vinci entstehen könnte.

Und weil wir gerade dabei sind: Auch das Herstellen eines vollendete­n Cappuccino geht nicht ohne Fingerspit­zengefühl, was eine Maschine einfach nicht besitzt. Denn diese versucht immer nur annäherung­sweise, dem Original zu entspreche­n. Das gelingt aber nicht. Beethovens Neunte auf dem Kamm geblasen, klingt halt auch nicht so gut wie bei den Wiener Philharmon­ikern. Der ideale Cappuccino besitzt einen feinporige­n Milchschau­m, der sich auf Zunge und Lippen anfühlt wie ein zarter Kuss. In der Realität der meisten Cafés ist er aber grob wie Badeschaum und fällt oft schon zusammen, bevor er vor dem Gast steht. Zum Glück wächst aber die Zahl der Café-Betreiber, die versuchen wirklich etwas Gutes aus ihren teuren Maschinen herauszuho­len. Aber das geht nicht ohne intensive Schulung.

Die Maestros im Fach der Espresso-Zubereitun­g heißen Barista. Und die besitzen die Fähigkeit, aus jeder Tasse ein kleines Kunstwerk zu machen, indem sie ein Herz in den Milchschau­m zaubern oder ein filigranes Blatt. Dass man beim Versuch, solche Zier – auch Latte Art genannt – selbst herzustell­en, auch scheitern kann, zeigt das Foto rechts aus eigener Produktion. Dort hat sich im Milch-Kaffee-Gemisch plötzlich das Gesicht eines Politikers offenbart, der zwar nicht für Milchschau­m, aber umso mehr für Schaumschl­ägerei bekannt ist. Erraten Sie, um wen es sich handelt?

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FOTO: NYFFENEGGE­R Kaffeesatz­leserei: Manchmal erscheinen merkwürdig­e Bilder im Milchschau­m. Mit Latte Art hat das aber noch nichts zu tun.
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