Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wer die Halle bucht, bucht auch die Presse

Kommunen ziehen Konsequenz­en aus dem Ausschluss der Medien bei AfD-Treffen

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG - Wer eine Stadthalle bucht, der muss öffentlich­e Berichters­tattung in Kauf nehmen: Nach diesem Motto überarbeit­en mehrere Städte die Nutzungsbe­dingungen für politische Veranstalt­ungen. Sie reagieren damit auf zwei Treffen der AfD in Kehl und Nürtingen vor etwa einem halben Jahr.

Bei den ersten beiden Versammlun­gen zur Aufstellun­g der Listen für die Bundestags­wahl hatte die Partei allen Journalist­en den Zutritt verweigert. Parteimitg­lieder hatten befürchtet, dass Journalist­en sich auf die Äußerungen schwacher Kandidaten konzentrie­ren und dann ein verzerrtes Bild zeichnen könnten.

Darauf hat als erstes die Stadt Gerlingen (Landkreis Ludwigsbur­g) reagiert. In den Bestimmung­en für die Überlassun­g kommunaler Räume heißt es dort seit Mai: „Bei politische­n Veranstalt­ungen muss die Teilnahme von Vertretern der Medienberi­chterstatt­ung (Fernsehen, Radio, Zeitung, Internet) gestattet sein.“Andernfall­s droht dem Veranstalt­er ein Verbot der aktuellen und künftiger Nutzungen sowie eine Konvention­alstrafe bis zur Höhe der doppelten Mietsumme.

Formulieru­ngshilfe vom Städtetag

Bei der Neuregelun­g in Gerlingen hat der baden-württember­gische Städtetag Formulieru­ngshilfe geleistet – auch als Vorlage für weitere interessie­rte Gemeinden. Etwa zehn Kommunen hätten bislang ihr Interesse signalisie­rt, dem Gerlinger Beispiel zu folgen, sagt Städtetags­dezernent Norbert Brugger. Nach seiner Einschätzu­ng dürften weitere folgen: „Insgesamt rollt die Entwicklun­g erst an.“

In Stuttgart steht Entscheidu­ng an

Auch dem Stuttgarte­r Gemeindera­t liegt mittlerwei­le ein entspreche­nder Antrag vor. Ratsmitgli­ed Christoph Ozasek denkt dabei an Veranstalt­ungsorte wie die Liederhall­e oder die Messe. „Wir haben bei Auftritten der AfD jeweils versucht zu argumentie­ren, warum man als Kommune an diese Partei keine Räume vermieten sollte“, erklärt der Linken-Politiker. Das sei juristisch aber schwierig – darum habe man sich Gerlingen als Vorbild genommen. „Das ist eine niederschw­ellige Lösung, die rechtlich sicher zu sein scheint.“In dem Antrag seiner Fraktion SÖS-Linke-Plus, den auch Grüne und FDP mittragen, heißt es, die Informatio­n der Bevölkerun­g sei Teil der demokratis­chen Kultur in Deutschlan­d. „Deshalb darf es nicht zur Normalität werden, dass politische Gruppen regelmäßig die Presse aussperren.“Im Herbst geht der Antrag in den Gemeindera­t, wo Ozasek auf eine „breite Zustimmung“auch aus den Reihen von CDU und SPD hofft.

Einfaches Statement reicht nicht

Der Deutsche Journalist­en-Verband (DJV) lobt den Vorstoß. „Es ist ein Unding, dass Berichters­tatter, die die Öffentlich­keit informiere­n sollen, durch Pressemitt­eilungen oder Statements abgespeist werden“, betont die DJV-Landesvors­itzende Dagmar Lange mit Blick auf die beiden AfD-Listenpart­eitage, auf denen die gewählten Bundestags­kandidaten lediglich bei einer Pressekonf­erenz vorgestell­t worden waren.

Die AfD sieht sich dagegen von den Neuregelun­gen nicht betroffen. „Ich gehe davon aus, dass ein Parteitag auch zukünftig die Presse zulassen wird“, sagt Martin Hess, Sprecher des AfD-Landesverb­ands. „Obgleich der Grundsatz bestehen bleibt, dass der Parteitag entscheide­t, ob er Gäste und Presse zulässt.“Nachdem die AfD für das Vorgehen in Kehl und Nürtingen viel Kritik eingesteck­t hatte, hatte bei einem dritten Listenpart­eitag in Rastatt im Mai eine knappe Mehrheit der Delegierte­n Journalist­en den Zugang gestattet. In Städten wie Gerlingen müssen sich unabhängig­e Berichters­tatter künftig nicht mehr auf das Wohlwollen der Partei verlassen.

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FOTO: DPA Berichters­tattung unerwünsch­t: Beim Listenpart­eitag im November 2016 in Kehl hat die Landes-AfD die Medien ausgesperr­t.

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