Zu Tode geprügelt und getreten
Prozess um Bluttat in Backnanger Chinarestaurant „Asia-Perle“hat begonnen – Zwei Männer sollen Wirtin aus Habgier überfallen haben
STUTTGART - Manche Fakten kann ein Ankläger noch so nüchtern vortragen, sie sprechen für sich. Fast alle Rippen gebrochen. Zahlreiche Hämatome. Eine Trittmarke am Oberbauch. Eine Fraktur des Brustbeins. Oberstaatsanwalt Matthias Schweitzer liest diese Liste von Verletzungen am Donnerstag im Stuttgarter Landgericht vor. Es muss eine Qual sein, sich das anzuhören für die zwei jungen Männer und zwei jungen Frauen am Rande des Saals. Denn es geht um ihre Mutter.
Sie wurde Anfang März 2016 zu Tode geprügelt und getreten. Seit Donnerstag stehen deshalb zwei Rumänen vor Gericht. Die Anklage wirft ihnen vor, die Inhaberin des Restaurants „Asia-Perle“in Backnang (Rems-Murr-Kreis) ermordet und ausgeraubt zu haben.
Nach Ansicht der Ermittler betraten die beiden heute 42 und 46 Jahre alten Männer gegen 23.30 das Restaurant. Der Gastraum war bereits dunkel und verlassen. Dort versteckten sich die Täter, glauben die Ermittler. Das spätere Opfer und einige Mitarbeiter im hinteren Teil der „Asia-Perle“hörten nichts, die Mitarbeiter gingen nach Hause oder in ihre Schlafräume unter dem Restaurant. Auch die 53-Jährige hatte ein Zimmer in ihrem Restaurant, machte sich wohl in den Waschräumen fertig für die Nacht.
Mit Klebeband gefesselt
Die beiden Angeklagten sollen sie dabei überrascht und niedergeschlagen haben. Sie fesselten sie nach Überzeugung des Oberstaatsanwalts mit Klebeband und forderten sie laut Anklageschrift auf, ihr Geldversteck preiszugeben. Einer der mutmaßlichen Täter setzte sich auf den Brustkorb der Frau. Der andere durchsuchte ihr Zimmer, soll dort 20 000 Euro und eine 8000 Euro teure Uhr gefunden haben. Die Täter flohen.
Eine Angestellte fand die Chefin am Morgen blutüberströmt in den Toiletten-Räumen. Sie war bereits mehrere Stunden tot. Von „erheblicher Gewalteinwirkung auf den Körper des Opfers“berichten die Ermittler später. Die Polizei setzte die Sonderkommission (Soko) „Perle“ein, 40 Beamte suchten nach Hinweisen und Zeugen, werteten elf Millionen Fotodateien von Handys und Laptops aus. Dabei standen sie vor zahlreichen Schwierigkeiten. Die Familie der Toten stammt aus der chinesischen Küstenprovinz Zhejiang im Südosten des Landes. Sie kam über die Niederlande nach Schwaben, hat die niederländische Staatsbürgerschaft. Ihre Familie lebt in ganz Europa und China verstreut, ist weit verzweigt. Den Dialekt der Familie verstehen nur wenige Dolmetscher – und diese mussten tausende Nachrichten aus dem Chinesischen übersetzen.
Bis Ende Juni arbeitete die Soko, doch die Bemühungen liefen ins Leere. Das Ermittlerteam wurde reduziert. Erst im November brachte der Abgleich von DNA-Spuren den entscheidenden Hinweis. Eine der zahlreichen DNA-Proben vom Tatort stimmte mit dem Erbgut eines 42jährigen Rumänen überein. Weil es so viele Spuren im Restaurant gab, habe die Auswertung so lange gedauert, begründeten die Ermittler damals die späte Identifizierung.
Polizei geht von Einzeltätern aus
Die Ermittler stießen außerdem auf einen mutmaßlichen Komplizen. Die beiden Männer sollen sich bereits aus Rumänien kennen, sie stammen aus demselben Landkreis. Sie wohnten auch gemeinsam in Backnang, arbeiteten als Bauarbeiter. Beide sind in Rumänien vorbestraft – unter anderem wegen Totschlag und Raub.
Die Polizei vermutet, dass die Männer durch einen Hinweis auf die „Asia-Perle“aufmerksam wurden. Die Freundin und heutige Frau eines Angeklagten hat wohl in dem Restaurant gearbeitet. Sie könnte den Männern erzählt haben, dass ihre Chefin große Mengen Bargeld in ihrem Zimmer aufbewahrte. Eine Verbindung zu Einbrecherbanden oder anderer organisierter Kriminalität fanden die Ermittler nicht.
Die beiden Angeklagten nehmen die Vorwürfe am Donnerstag ohne sichtbare Regung zur Kenntnis. Die breitschultrigen Männer, beide mit kurz geschorenen schwarzen Haaren, sitzen seit November in Untersuchungshaft, werden mit Handschellen in den Saal geführt. Anfangs stehen sie jedes Mal auf, wenn der Vorsitzende Richter sie anspricht. „Sie dürfen sitzen bleiben“, erläutert dieser schließlich.
Beide schweigen zu den Vorwürfen, haben aber im Prozess auch später die Gelegenheit, ihre Version der Dinge zu schildern. Allerdings haben sie im Gespräch mit einem vom Gericht bestellten psychiatrischen Gutachter Aussagen gemacht, diese sollen an den kommenden Prozesstagen vorgelegt werden. Sollten die Männer verurteilt werden, droht ihnen lebenslange Haft.
Auf die vier erwachsenen Kinder der Toten wartet am Freitag der nächste Verhandlungstag mit schlimmen Details. Dann sollen Kriminaltechniker aussagen und Fotos vom Tatort erläutern. Das Gericht hat 15 Verhandlungstage geplant, das Urteil könnte am 18. August fallen.