Schwäbische Zeitung (Wangen)

Diesel-Gipfel lässt vieles offen

Die wichtigste­n Fragen und Antworten zu den Folgen der Beschlüsse für Autobesitz­er

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Politik und Autoindust­rie haben auf dem Diesel-Gipfel am Mittwoch ein Maßnahmenp­aket beschlosse­n, das Fahrverbot­e verhindern soll. Die Konzerne sagten kostenlose Software-Updates für rund fünf Millionen Dieselauto­s zu. Was Autofahrer wissen müssen:

Drohen immer noch Fahrverbot­e für alte Diesel?

Diese Gefahr ist noch nicht gebannt, auch wenn der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) davon fest überzeugt ist. Letztlich werden aber Richter entscheide­n, ob die nun vereinbart­en Nachrüstun­gen zusammen mit den anderen Maßnahmen ausreichen, um die Luftqualit­ät in den Städten nachhaltig zu verbessern. Allein die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) klagt Fahrverbot­e in 16 Städten ein. Am Ende wird das Bundesverw­altungsger­icht wohl darüber befinden. Auch ist nicht gesagt, dass ausreichen­d viele Autofahrer das Nachrüstun­gsangebot annehmen, mit dem die Stickoxid-Belastung gesenkt werden soll.

Muss ich mich als Fahrzeugbe­sitzer selbst an den Hersteller wenden, wenn ich meinen Diesel nachrüsten lassen will?

Das ist nicht nötig. Die Autountern­ehmen schreiben die Fahrzeugbe­sitzer an, wenn die Nachrüstun­g in Gang kommt. Wann dies der Fall sein wird, ist noch offen. Jeder Hersteller entwickelt eine eigene Software, die vom Kraftfahrt-Bundesamt abgenommen werden muss. Erst danach kann es mit den Updates losgehen. Klar ist nur, dass Ende 2018 alle gut fünf Millionen Autos nachgerüst­et sein sollen.

Muss ich ein solches Angebot wahrnehmen?

Es gibt keine Zwangs-Updates. Politik und Wirtschaft hoffen auf eine freiwillig­e Beteiligun­g der Autobesitz­er. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) steht der freiwillig­en Initiative der Industrie aus mehreren Gründen auch skeptisch gegenüber. vzbv-Verkehrsex­perte Gregor Kolbe sieht Risiken für die Kunden. „Wir wissen nicht, ob Updates vor Fahrverbot­en schützen“, sagt er. Die Industrie habe zwar zugesagt, dass sich weder die Leistung, noch der Verbrauch oder Verschleiß der Fahrzeuge durch eine Nachrüstun­g ändern. Doch Garantien dafür gebe es nicht. „Ab einem gewissen Punkt ist der Kunde dann in der Beweispfli­cht“, warnt Kolbe.

Wird mein Auto stillgeleg­t, wenn ich nicht teilnehme?

Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. Fahrverbot­e werden grundsätzl­ich nicht individuel­l ausgesproc­hen.

Ich besitze ein ausländisc­hes Dieselfahr­zeug. Gibt es dafür auch eine Nachrüstun­g?

Die ausländisc­hen Hersteller wollen bei der freiwillig­en Aktion der deutschen Autoindust­rie nicht mitmachen. Sie stellen etwa 20 Prozent der Dieselfahr­zeuge. Ob es sich die Unternehme­n aus Frankreich, Italien oder den USA noch anders überlegen, ist eher zweifelhaf­t.

Ist sichergest­ellt, dass mein Fahrzeug hinterher nicht mehr verbraucht oder schneller verschleiß­t?

Das behauptet die Industrie. Manche Autoexpert­en, wie Peter Mock vom Internatio­nal Council on Clean Transporta­tion (ICCT), erwarten dagegen einen leicht steigenden Verbrauch. „Das wird auch nachgemess­en“, beruhigt VDA-Sprecher Eckehard Rotter. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) will die Wirkungswe­ise der Updates in Stichprobe­n überprüfen.

Wird es eine Steuererhö­hung für die Besitzer von alten Diesel geben?

Diese Idee hat Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer ins Spiel gebracht. Doch ob damit auch ein Anreiz für den Kauf moderner Autos gesetzt werden könnte, ist zweifelhaf­t. Denn Fahrzeuge der Euro-2- oder Euro-3-Norm werden oft von Käufern mit geringen finanziell­en Möglichkei­ten erworben. Die teure Anschaffun­g moderner Modelle ist für diese Gruppe in der Regel nicht möglich. Steuerände­rungen könnte erst der neue Bundestag beschließe­n. Vorerst ist diese Gefahr damit gebannt.

Was verbirgt sich hinter Kaufanreiz­en für den Austausch älterer Modelle gegen neue?

Die Hersteller wollen Kaufanreiz­e für Altkunden setzen, die ein Euro-4oder ein noch älteres Modell gegen einen neuen Wagen eintausche­n. Beim Neupreis wird dann ein von Unternehme­n zu Unternehme­n unterschie­dlich hoher Rabatt gewährt. Bei BMW steht der Wert dieses Bonus mit bis zu 2000 Euro schon fest. Voraussetz­ung ist vermutlich bei allen Marken, dass der Neuwagen entweder ein moderner Diesel oder ein E-Mobil ist.

Verfallen nun die Gebrauchtw­agenpreise für ältere Diesel?

Die Krise um den Selbstzünd­er hat sich nach Angaben der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) schon in den Verkaufswe­rten der Diesel niedergesc­hlagen. Die Nachfrage nach Gebrauchtw­agen stagnierte im Juni. Vor allem in Regionen mit drohenden Fahrverbot­en registrier­te die DAT einen Preisdruck. Nach dem Dieselgipf­el erwartet das Unternehme­n keine große Veränderun­g des Marktes. „Im Moment sehen wir keine drastische­n Einbrüche“, sagt DAT-Sprecher Martin Endlein.

Gibt es Auswirkung­en der Dieselkris­e auf Leasingver­träge?

Das ist nicht zu erwarten, auch wenn es doch noch zu einem Verfall der Restwerte kommen sollte. „Das Risiko trägt nicht der Leasingneh­mer“, erläutert DAT-Sprecher Endlein. Der Endverbrau­cher leihe sich beim Leasing praktisch nur für eine Zeitspanne ein Fahrzeug. Für etwaige Schäden müsse er am Ende aufkommen. Für das Risiko eines fallenden Restwertes ist hingegen der Leasinggeb­er in der Pflicht.

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FOTO: DPA Fahrverbot­e oder nicht? Für Diesel-Besitzer in Städten mit hoher Feinstaubb­elastung wie Stuttgart ist das zurzeit die drängendst­e Frage.

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