Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kreative Kassenführ­ung

Griechen spielen mit den Steuerfahn­dern Katz und Maus – Betrugsquo­te bei 66 Prozent

- Von Alexia Angelopoul­ou

ATHEN (dpa) - Nach Souvlaki, Tzatziki und Fakelaki müssen Griechenla­ndfreunde in diesem Sommer ein neues Wort lernen: „Loukéto“, übersetzt „Vorhängesc­hloss“. Loukéto bedeutet, dass ein Geschäft für mindestens 48 Stunden von den Fahndern geschlosse­n wird, wenn der Besitzer nachweisli­ch Steuern hinterzoge­n oder Schwarzarb­eiter beschäftig­t hat. Vor allem Tavernen, Bars, Cafés und Nachtclubs sind betroffen und damit in erster Linie die touristisc­hen Regionen des Landes.

Schon jetzt auf der Hitliste der griechisch­en Steuersünd­er 2017: vier illegale Strandbars an den Küsten der Insel Gaidouroni­si in der östlichen Ägäis. Alle acht dort vorhandene­n Registrier­kassen waren so programmie­rt, dass sie gefälschte Belege ausgaben – an die Gäste wurden auf diese Weise mehr als 22 000 für die Staatskass­e wertlose Zettelchen verteilt, wie Steuerfahn­der Anfang Juli ermittelte­n.

Außerdem ganz vorne mit dabei ist ein Imbiss auf der Insel Chrysi südöstlich von Kreta. Der Besitzer operierte mit der Steuernumm­er eines seit Jahren geschlosse­nen Souvlaki-Ladens und gab im Laufe der Zeit unter diesen falschen Angaben mehr als 16 500 ungültige Belege aus. Übertroffe­n wird er nur von einem großen Nachtclub auf der Touristeni­nsel Santorini – dort konnte der Inhaber nicht nur keine Kassenzett­el, sondern nicht einmal eine Registrier­kasse vorweisen.

Auch auf dem Festland werden die Fahnder fündig. Sogar mitten in Athen, etwa im Café des bei Touristen beliebten Numismatis­chen Museums. Zwölfmal wurde dort während einer verdeckten Prüfung keine Quittung ausgegeben – prompt folgte ein 48-stündiges Loukéto. Von Ostern bis Anfang Juli seien so mehr als 200 Betriebe vorübergeh­end geschlosse­n worden, heißt es bei der griechisch­en Steuerbehö­rde. Bei 270 Ermittlung­en habe die Betrugsquo­te 66 Prozent betragen.

Ermittler in Badehose

Der Chef der griechisch­en Steuerfahn­der, Giorgos Pitsilis, zeigt sich angesichts der Zahlen optimistis­ch. „Wir haben für dieses Jahr einen umfassende­n Aktionspla­n und werden die Prüfungen mit aller Intensität durchführe­n.“Dazu gehöre auch, mit der Zeit zu gehen. „Wir sind klüger geworden“, sagt er. So mischen sich mittlerwei­le Fahnder in Badehose unter die Touristen, um unentdeckt zu bleiben.

Denn gerade auf den Inseln gibt es längst Vorwarnsys­teme: Steigen die Beamten mitten im Sommer im Anzug und mit Aktentasch­e unterm Arm von Bord, laufen die Telefone zwischen den Betrieben heiß. Und damit nicht genug: Manchmal beziehen die Fahnder gar Prügel, so wie jüngst zwei Beamte auf Patmos, denen ein aufgebrach­ter Barbesitze­r an den Kragen ging.

Der oberste Steuerfahn­der Pitsilis betont, wie wichtig es sei, dass die normalen Bürger beim Kampf gegen Steuersünd­er helfen und so Steuerpfli­cht zur Selbstvers­tändlichke­it wird. Das aber hat für die Griechen etwas Denunziato­risches und widerstreb­t den meisten zutiefst. Die Steuerbehö­rde versucht daher, den Bürgern die Jagd spielerisc­h schmackhaf­t zu machen. So soll demnächst eine App auf den Markt kommen, die es Kunden erlaubt, eine Quittung an Ort und Stelle mit dem Smartphone auf ihre Legalität zu überprüfen.

Als unfair empfinden viele Griechen den Betrug dabei durchaus. Nicht zuletzt, weil es zahlreiche Betriebe gibt, die sehr wohl ordnungsge­mäß abrechnen. Tankstelle­n achten darauf, dass der Kunde die Quittung auf jeden Fall mitnimmt, weil sonst beide dran sind – Kunde wie Tankwart. Kioske, die für jeden Kaugummi ein Zettelchen ausdrucken und darauf pochen, dass der Käufer es einsteckt. Selbst auf dem Wochenmark­t hackt der Händler die 50 Cent für ein Kilo Wassermelo­ne missmutig in seine kleine elektronis­che Kas- se und stopft den Zettel zur Melone in die Tüte.

Das Katz-und-Maus-Spiel mag lustig anmuten. Etwa, wenn vor den Augen verdutzter Touristen der illegal beschäftig­te Kellner ins Wasser springt und so tut, als würde er baden, weil Fahnder die Taverne betreten. Doch für viele Selbststän­dige ist die Situation bittererns­t. Die Steuerund Abgabenlas­t liegt nach den unzähligen Erhöhungen der vergangene­n Jahre bei bis zu 70 Prozent. „Würde ich meine Bücher vollständi­g legal führen, müsste ich spätestens bei der fälligen Vorauszahl­ungen am Ende der Saison draufzahle­n. Gearbeitet hätte ich umsonst“, sagt ein Wirt von der Insel Kefalonia.

Und so nimmt die kreative Buchführun­g kein Ende. Mal ist der offizielle Besitzer des Ladens verstorben, ein anderes Mal lebt er als Mönch im Kloster. Mal werden alte Quittungen vom Geschäft nebenan ausgegeben, mal Quittungen vom Vorjahr. Und dann war da Mitte Juli noch der Barbetreib­er auf Mykonos, der den Fahndern den Zutritt verwehrte und argumentie­rte: „Hier ist alles rechtens.“Davon ließen sich die Beamten nicht überzeugen. Anschließe­nd hatte der Betreffend­e fünf Tage Zeit, seine Umsatzsteu­ererklärun­g nachzureic­hen – oder seinen Laden für bis zu 30 Tage zu schließen.

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FOTO: DPA Ein griechisch­er Landwirt verkauft in Athen auf einem Wochenmark­t sein Obst und Gemüse. Die Händler haben kleine, portable Registrier­kassen dabei, um Belege aushändige­n zu können und nicht ins Visier der Steuerfahn­der zu gelangen.

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